Bau des Brunnen, Ecke Neulerchenfelder Straße / Brunnengasse
Erster kleiner Markt um den Brunnenmarkt entsteht
Markt weitet sich über fast die ganze Brunnengasse aus
Erster Markt auf dem Yppenplatz entsteht
Erste größere Zuwanderungswelle in Wien, die auch den Brunnenmarkt erfasste
Sie brachten Kenntnisse des türkischen Gartenbaus mit nach Wien und führten bisher unbekannte Produkte ein
Neue ZuwanderInnen aus dem damaligen Jugoslawien und aus der Türkei
Die Vielfalt der Nationalitäten prägt bis heute das Marktviertel
Generalisierung des Marktes
Der gesamte Markt wird zu einer Fußgängerzone
neue Strom - und Wasserversorgung
neue Sitzmöbel
Der Markt kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Der Beginn war im 18. Jahrhundert mit dem Bau eines neuen Brunnens. Wo Wasser ist, ist auch ein Marktstand nicht weit und so gab es den ersten kleinen Brunenmarkt. Mit der Zeit haben sich die Stände über fast die gesamte Brunnengasse ausgeweitet. Aufgrund der Vielfalt der Nationalitäten wird der Brunnenmarkt von den Besuchern auch liebevoll klein Istanbul genannt.
Der Brunnenmarkt hat zu jeder Jahreszeit geöffnet. Auch im Winter, wenn die Tage kurz sind und der Wind eisig durch die Brunnengasse weht. Durch die neue Markt-ordnung sind die Standler verpflichtet, ihre täglichen Kernöffnungs-zeiten einzuhalten, auch wenn sich das nicht lohnt. In der Dämmerung, wenn kaum noch Menschen unterwegs sind und die Standler einen gemütlichen Plausch halten, ist es fast schon romantisch auf dem Brunnenmarkt.
Das lebendige Leben am Brunnenmarkt besteht nicht nur aus schön inszennierten Marktständen, die die vorbeitreibenden Leute zum Kauf anregen sollen. Die Dynamik wird auch durch ein ständiges Arbeiten hinter den Kulissen geschaffen. Anlieferungen, Aufbau, Lagern und Sotieren der Ware prägen ebenfalls das Bild des Marktes und tragen dazu bei, dass der Markt ständig in Bewegung ist.
Ein mal durch den Brunnenmarkt, und man findet alles. Frische Obst und Gemüse oder alle Arten von Fleisch. Hast du Lust auf Fisch? Kein Problem! Brot oder Hülsenfrüchte, Käse oder Eier, Avacado oder Mango...Sogar alles billiger als im Supermarkt. Hier sind Hausschuhe und Paprika, Taschenlampe und Spinat oder Pyjamas und Zucchini nebeneinander zu finden. Schau! Spielzeug für deine kleine Neffe. Man findet wirklich alles hier. Hauptsache billig!
Mich interessiert immer das Gerüst, was eigentlich viel ermöglicht, aber selbst nie im Mittelpunkt steht. Unter der Woche werden die Gerüste der Markt traurigeweise in Form von verrosteter Leer-Stände sichtbar, an derverlassenen, vergessenen und verlorenen Schellhammergasse. Ohne vielfältige Obst und Gemüse, zerstraute Kisten, Marktschreier und Kinder, die sich auf den Spielplatz nebenan freuen ist die Schellhammergasse nicht mehr die rechte Hand des Brunnenmarktes.
Ein langer Markt erstreckt sich die Brunnengasse entlang.Auf ihm viele Menschen, die für mich noch spannender waren als die Ware selbst. Zum einen die Marktverkäufer, die schreiend hinter ihren Ständen stehen und ihre Ware best möglich verkaufen wollen. Zum anderen die Großfamilien die für wenig Geld ihren Wocheneinkauf erledigen. Vereinzelt junge Menschen die ein bisschen Obst kaufen, arabische Männer die ihren Tee trinken und alte Wiener Damen, die den Markt seit ihrer Kindheit kennen. Ziel meiner Arbeit war es, diese unterschiedlichen Charaktere zu fotografieren und die Vielfältigkeit des Brunnenmarktes aufzuzeigen.
Anna (59) kam 1972 aus Georgien, damals noch Russland, nach Wien. Sie arbeitete als junges Mädchen am Marktstand ihres Vaters am Kamelitermarkt und verkaufte dort Obst und Gemüse. 1980 kam sie zum Brunnenmarkt und baute ihren eigenen Marktstand auf.
Wie unterscheidet sich der Markt zu Früher?
1980 bin ich hergekommen, da waren die Menschen noch freundlicher, da gab es noch mehr Zusammenhalt, jetzt mit dem Konkurrenzkampf bringen sich die einander um. Früher haben sich die Leute mehr geholfen. Zum Beispiel mit Deutsch, wenn jemand Knoblauch, falsch geschrieben hat, hat man das gesagt und ausgebessert, um zu helfen oder wenn jemand Hilfe bei einem Telefonat auf Deutsch gebraucht hat um Waren zu bestellen. Früher gab es noch andere Nationalitäten, Russen, Griechen, Österreicher, das hat sich jetzt geändert. Früher da wollte die Ausländer noch mehr wie Österreicher sein, jetzt will das keiner. Glaubst du ein Türke, ein Araber will Österreicher sein? Das interessiert niemanden mehr.Damals haben wir ja auch kämpfen müssen für unsere Rechte. Wir durften früher nicht mit dem Auto in den Markt fahren zum anliefern. Die Österreicher sind mit dem Auto reingefahren in den Markt und wir mussten die Sachen mit der Hand tragen. Das war ein Kampf. Wir mussten Krallen zeigen, wenn du verstehst, aber wir haben uns durchgesetzt.
„Jetzt soll alles nur billig sein, die Leute wollen nur das es billig ist.“
Inwiefern gibt es jetzt weniger Zusammenhalt?
Schau da vorne gibt es ein Fischstand, den gibt es schon sehr lang, und gegenüber gibt es ein Stand, der hat früher nur Fleisch verkauft. Jetzt verkauft er aber auch Fisch, das kann ja nicht gut sein, das ist ja nicht hygienisch. Oder vorne gibt es zwei Bäcker, die Fladenbrot verkaufen. Der Eine hat Fladenbrot für 90 cent verkauft, dann hat der andere 80 cent verlangt, daraufhin hat der erste 70 cent verlangt, bis irgendwann das Brot 50 cent gekostet hat. Und darunter leidet ja die Qualität, dann kauft er nicht mehr das Mehl aus Österreich, sondern Tschechien oder aus der Slowakei und das hat nicht die Qualität wie österreichisches. Überleg mal wie viel Brot du verkaufen muss um 50€ zu verdienen, mit diesen Konkurrenzkampf bringen sich die um. Warum halten sie nicht einfach den Preis?
Inwiefern gibt es jetzt weniger Zusammenhalt?
Früher mehr, da gab es besseres Obst und Gemüse, da war es noch teurer hier, aber dafür eine bessere Qualität. Jetzt soll alles nur billig sein, die Leute wollen nur das es billig ist. Ich kaufe nur noch im Sommer ein. Im Winter ist das Gemüse hier nicht gut, das gefriert es ja, kannst dir eh denken wie das dann schmeckt.
„Jetzt soll alles nur billig sein, die Leute wollen nur das es billig ist.“
Früher gab es mehr Verkäuferinnen, warum ist das anders?
Ja das stimmt, früher waren mehr Frauen hier. Warum das anders ist weiß ich auch nicht. Jetzt sind mehr Türken hier, die wollen nicht dass die Frauen am Markt arbeiten, die wollen, dass die Frau zuhause bleibt und sich um die Kinder kümmert. Für Frauen ist die Arbeit am Markt nicht einfach, den ganzen Tag draußen arbeiten, das ist schon schwer.
Was halten sie von der neuen Marktordnung?
Die wollen, dass wir ihnen gehorchen. Wenn du jetzt nicht jeden Tag geöffnet hast musst du 50 € Strafe zahlen und die kontrollieren oft. Ich hab damals meine Lebensversicherung verkauft um diesen Stand für 30.000 € zu kaufen und die wollen uns jetzt vorschreiben, wann wir zu arbeiten haben. Das ist mein Geschäft. Wir Verkäufer sind nicht mehr frei. Ich arbeite die ganze Woche und am Samstag will ich nicht arbeiten, da möchte ich Zeit für meine Kinder haben. Unter der Woche komm ich um 7 nachhause und dann bin ich müde oder meine Kinder sind müde. Ich wurde auch schon verwarnt und musste 50 € Strafen zahlen und beim dritten mal verlierst die Genehmigung. Jetzt muss ich auch Samstag hier arbeiten.
Einer der besten Käsestände auf dem Brunnenmarkt, vielleicht sogar in Wien. Seit mehr als 13 Jahren erfüllt Azmi Ersoy die Wünsche der Käseliebhaber. Er stimmte zu, dieses Interview in der intensivsten Stunde an einem Samstagsnachmittag mit uns zu führen.
Können Sie sich kurz vorstellen?
Ich heiße Azmi Ersoy und komme aus der Türkei. Ich bin am 2002 nach Österreich gekommen. Das ist mein Stand „Käseparadies“ und bin seit 2005 am Brunnenmarkt.
Hast du mehr Stammkunden oder Vorübergehende?
Wir haben eigentlich beides, aber ich kann schon sagen, dass wir meistens Stammkunden haben.
Was hat sich im Laufe der Zeit geändert?
Der Markt wurde komplett erneuert. Nicht nur die Stände, auch die Infrastruktur. Die Stände wurden modernisiert. Sie schauen jetzt vielleicht immer noch ähnlich aus wie früher, aber sind sehr gut. Nicht nur für uns, auch für die Kunden, ist es jetzt viel sauberer. Früher gab es kein Wasser. Jetzt haben wir Wasser und Strom.
Hat sich aus soziologischer Sicht etwas bei den Marktbesuchern geändert?
Ja, wir sehen immer neue Menschen am Markt. Menschen kommen nicht nur zum einkaufen, sondern auch zum Spazieren. Sogar ich gehe auf die Märkte, wenn ich in eine fremde Stadt besuche. Zum Beispiel war ich letztens in Berlin, dort habe ich einen Markt gesucht. Ich wollte schauen, was sich am Markt so befindet. Also, Leute interessieren sich immer für Märkte.
Was denkst du über die Preise und Frische der Produkte, bzw. über die Qualität des Marktes?
Das ist sicher ein belebter Markt, aber im Vergleich zu anderen Märkten auch günstig. Die Produktvielfalt ist leider geringer heutzutage. Es gibt mehr Lebensmittel, aber weniger Obst und Gemüse. Die Produktdiversität ist ein großer Vorteil für einen Markt. Yppenmarkt ist nur Samstags da. Ehrlich gesagt gibt es viel weniger Obst und Gemüse und viel mehr Fleisch am Markt.
Kaufst du auch hier ein? Kennst du die anderen Standler?
Ja, sicher. Dieser zwei Stände, rechts und links gehören auch zu uns. Daneben ist mein Bruder.
Wenn du etwas ändern könntest, was würdest du am Markt verbessern?
Ich glaube nichts. Kann ein Markt wirklich besser sein ?
Was denkst du über neue Marktordnung?
Sie machen unter der Woche nichts auf. Sie bringen dort nur eine Kiste mit irgendetwas hin, sonst nichts. Ich finde eigentlich die neue Marktordnung gut. Es ist wichtig für die Kontinutät des Marktes. Wir sind jeden Tag da, bei -10°C im Winter oder +35°C im Sommer. Aber sie kommen einmal am Samstag und das ist alles. Das ist einfach nicht fair.
Hast du keine Angst vor Konkurrenz?
Eigentlich ist es dort ist nicht mehr gut, außer am Wochenende. Vielleicht wegen der Gewohnheit. Wir bilden hier eine unsichtbare Grenze. Die Menschen kommen nicht so weit nach hinten und unten ist es nicht mehr so lebendig, aus Einkaufssicht.
Wie ist dein Umsatzverhältnis zwischen Werktags und Wochenende?
Fünf Werktage sind genauso wie ein Samstag.
Ein Interview mit Sophie W., 42 Jahre alt.
Stellen Sie sich kurz vor und erzählen Sie was Sie heute zum Brunnenmarkt geführt hat.
Mein Name ist Sophie, ich bin 42 Jahre alt und ich wohne seit 5 Jahren hier in Ottakring. Seitdem gehe ich gerne und regelmäßig hier am Brunnenmarkt einkaufen, weil es direkt um die Ecke ist und ich die Atmosphäre mag. Außerdem ist es billiger als im Supermarkt und ich kann unter freiem Himmel einkaufen.
Was zeichnet die Atmosphäre am Brunnenmarkt ihrer Meinung nach aus?
Zum einen die bunte Mischung der Verkaufsstände - ich kann hier von Obst und Gemüse bis hin zur Kleidung alles finden - und zum anderen ganz klar die Menschen. Am Brunnenmarkt kommen viele verschiedene Nationen zusammen, das finde ich toll! Es macht mir viel mehr Spaß die Brunnengasse runter zu laufen, als durch den Supermarkt zu hetzen.
„Ich wünsch' mir mehr Bio!“
Wenn Sie am Markt etwas ändern dürften, was wäre das?
Ich würde mir wünschen, dass ich auf dem Markt auch Bio-Produkte kaufen kann. Bei vielen Produkten bin ich mir nicht sicher welche Qualität dahinter steckt. Es gibt auch bestimmte Stände die sehr oft auftauchen wie zum Beispiel die Bekleidungsstände. Wenn es davon ein bisschen weniger geben würde und stattdessen auch Stände hier wären die typische regionale Sachen anbieten. Zum Beispiel fände ich es toll wenn es hier einen österreichischen Bäcker und Fleischhauer geben würde.
Gibt es bestimmte Produkte bei denen Sie ganz besonders unsicher sind bezüglich der Qualität?
Ja das Fleisch! Das kaufe ich nichtauf dem Markt. Ich finde die Mengen nicht ansprechend und ich frage mich wie lange es dort liegt und wieso es so günstig ist. Da wird man skeptisch! Ich finde, es fehlt hier noch ein besseres Bewusstsein für die Fleischqualität.
Biologische Produkte sind nur auch schnell teurer, glauben Sie nicht, dass gerade die günstigen Produkte den Brunnenmarkt auszeichnen?
Natürlich! Aber ich denke esbraucht eine bessere Mischung. Wenn es auch Bio-Stände geben würde, kann ich mir gut vorstellen, dass ein viel breiteres Publikum angesprochen wird. Ich kann gut verstehen, das viele Menschen dankbar sind das sie hier günstig einkaufen können und dafür vielleicht auch Abstriche machen was die Qualität angeht. Aber wenn ich mir das Fleisch hier anschaue, bin ich der Meinung das wir alle ein bisschen kritischer sein sollten und hinterfragen müssen wo es eigentlich herkommt.
Angrenzendes an den Brunnenmarkt ist der Yppenplatz mit vielen Cafés und Restaurants. Inwieweit gehört der Platz für Sie mit zum Marktgebiet?
Irgendwie gehört er schon dazu,auch wenn dort eigentlich keine Marktstände mehr sind, zumindest nicht unter der Woche. Ich glaube, dass durch den Yppenplatz viele Leute erst auf den Markt gelockt werden. Aber es gibt auch viele Großfamilien, die hier schon seit Ewigkeiten am Markt einkaufen; die sind sicher nicht daran interessiert vorher noch einen Kaffee in einem angesagten Lokal zu trinken, sondern kommen wegen den günstigen Preisen.
Besuchen Sie auch den Samstagsmarkt am Yppenplatz?
Ja sogar ganz besonders gerne. Die Produkte am Samstag machen auf mich einen viel frischeren Eindruck als die vom Wochenmarkt und es gibt auch ein kleines Bio Angebot. Ich finde es auch nett, dass der Samstagsmarkt direkt am Yppenplatz ist und viel mehr verbunden ist mit den Cafés am Platz.Am Brunnenmarkt fehlt mir ein bisschen, dass das Angebot über den Einkauf nicht hinaus geht.
Welche anderen Angebote würden Sie sich am Brunnenmarkt wünschen?
Der Brunnenmarkt bietet zumBeispiel wenig Möglichkeiten zum Verweilen. Eigentlich gibt es nur eine Stelle wo überhaupt Sitzmöglichkeiten sind und die finde ich auch nicht sehr einladend. Vielleicht könnte es wie am Yppenplatz ein bisschen mehr Abwechslung durch Cafés geben. So würde der Yppenplatz nicht mehr das alleinige Zentrum sein und der Markt würde mehr zu einem Treffpunkt werden.
Irene Becker, Inhaberin von Irene´s Kräuterkisterl, zum Thema Nachhaltigkeit.
Wie kamen Sie auf die Idee, auf dem Brunnemarkt Bio Produkte zu verkaufen?
Das Gärtnern war schon immer meine Leidenschaft, besonders mit Gemüse und Kräutern. Irgendwann wollte ich mein Hobby zum Beruf machen. Angefangen habe ich also mit einem mobilen Marktstand, da ich so flexibel bleibe. Der Brunnenmarkt ist einer der größten Märkte Österreichs und hat in diesem Bereich Bio bisher wenig Angebot.
Was genau bedeutet Bio für Sie?
In erster Linie bedeutet das für mich, dass ich weiß, wo meine Produkte herkommen und dass die Qualität stimmt. Daher arbeite ich mit regionalen Bauern und Imkern zusammen, deren Produkte auch das Bio Siegel haben und keine Massenware produzieren. Aber genauso gehört auch der bewusste Umgang mit Lebensmitteln dazu. Daher gibt es bei mir keine Plastiktüten, sondern das Angebot, eigene Behälter zum Auffüllen mitzubringen. Das tun eher meine Kunden in Rosegg.
„Ich weiß, wo meine Produkte herkommen.“
Bieten Sie Ihre Ware saisonal an?
Ja, aber nur bestimmte Produkte wie frische Kräuter. Ich habe viele Basics im Sortiment, die man immer gebrauchen kann, Honig und Marmeladen. Ansonsten gibt es noch Specials für die Weihnachtszeit wie zum Beispiel Tees oder Gewürz-Mischungen und Aufstriche.
Woher beziehen Sie Ihre Ware?
Die Kräutermischungen aus heimischen Kräutern stelle ich selbst her und Zutaten für die Backmischungen beziehe ich von regionalen Bio Bauern. Da ich noch ein weiteres Geschäft in Rosegg habe, produziere ich mittlerweile in größeren Mengen. Die orientalischen Gewürze bekomme ich von meinem Händler des Vertrauens – jedoch nicht vom Großhändler.
Die „typischen“ Brunnenmarkt-Besucher kann man leider nicht für Bio begeistern, überwiegend sind es Österreicher oder Touristen, die bei mir einkaufen. Dazu zählen aber immer mehr junge Leute, denn diese haben oft mehr Bewusstsein für gesunde Ernährung. Die meisten meiner Kunden kenne ich aber gut, da diese regelmäßig bei mir einkaufen.
Haben Sie samstags während des Bauernmarkts mehr Kundschaft als unter der Woche?
Samstags sind genenerell mehr Besucher auf dem Brunnenmarkt, aber ich denke schon, dass meine Samstags-Kunden auch vermehrt vom Bauernmarkt herüber kommen.
Was ist Ihr Verkaufsschlager?
Meine Kräuter natürlich immer, aber jetzt im Anbruch der Weihnachtszeit sind es die selbstgemachten Kekse und getrockneten Zwetschgen.
Wie wird sich Ihrer Meinung nach der Brunnenmarkt in Zukunft entwickeln?
Ich kann mir momentan keine großen Veränderungen vorstellen, aber ich wünsche mir, dass die Menschen nachhaltiger und bewusster kaufen. Und ich hoffe auf eine gut funktionierende Alternative zu den Plastiksackerln. Aber dazu gab es ja schon einige Versuche seitens der Politik, was aber nicht angenommen wurde.
Und im Bezug auf Bio Produkte?
Ich denke nicht, dass der Brunnenmarkt sich irgendwann zum Bio Markt wandeln wird, aber ein wenig mehr Durchmischung wäre wünschenswert. Die meistern Verkäufer hier beziehen ihre Ware vom gleichen Großhändler. Aber die Nachfrage nach Bio Produkten ist nicht groß genug, fürchte ich.
Sercan Celik, 30 Jahre alt, wohnt seit 4 Jahre am Brunnenmarkt.
Wo wohnen Sie, Herr Celik?
Ich wohne in der Gaullachergasse 4, im 1.Stock. Es ist das Eckhaus gegenüber dem Supermarkt Hürpas. Ich habe drei Zimmer, die direkt zum Brunnenmarkt gerichtet sind.
Sie wohnen mitten im impulsierenden Markt. Welche Auswirkung hat der Markt auf ihr Leben?
Der Markt beeinflusst mein Leben negativ; besonders stören mich die schreiende Marktler. Natürlich ist es ein Teil ihrer Arbeit aber mich nervt es noch mehr, dass sie bis um 21:00 Uhr laut Musik hören während sie ihre Stände putzen. Ich glaube, sie müssen die Stände um 18 Uhr zusperren, das ist natürlich hier nicht der Fall. Außerdem beginnt der Tag am Markt sehr früh. Damit sie die Stände um 8:30 Uhr aufsperren können, transportieren sie die Produkte ab 6:00 Uhr. Besonders im Sommer wach ich dadurch auf. Es ist unmöglich, mit dem offenen Fenster weiter schlafen zu können.
Was stört Sie besonders, außerdem Lärm?
An den Ständen, die direkt vor mein Haus stehen, wird durchgehend gekocht. Statt frischer Luft füllt ein Fleischgeruch mein Schlafzimmer. Es gab früher ein Textilgeschäft unter meiner Wohnung. Im Sommer wurde es in einen arabischen Supermarkt umgewandelt. Seit dem gibt es auch in der Nacht kein Ruhe. Fleischklopfen kann man ja auch nicht leise machen. Ich will über den Geruch von rohem Fleisch nicht reden...
„Statt frischer Luft, füllt Fleischgeruch mein Schlafzimmer.“
Es hat doch sicher auch Vorteile, direkt am Markt zu leben, oder?
Ja natürlich. Ich kann immer frisches Obst und Gemüse vor meiner Haustür finden, ohne an der Kassa warten zu müssen. Preise sind meist viel billiger als im Supermarkt.
Kaufen Sie Fleisch auch, oder nur Obst und Gemüse vom Brunnenmarkt?
Ja, Fleisch esse ich auch gern. Aber es gibt nur einen Fleischhauer, dem ich vertraue, die restlichen Fleischstände kannst du vergessen. Sie sind viel zu schmutzig, um dort etwas kaufen zu können.
Was würden Sie zur Hektik des Marktes sagen?
Es gehört dazu und stört mich nicht. Im Markt wird es laut, eng und lebendig. Mich stört die Menge von Menschen nicht, sondern die Ständler die die Marktregeln übertreten.
Ist der Markt für Sie ein Kommunikationsort? Kennen Sie vielleicht ein Paar Marktler, die sich beim vorbei gehen begrüßen, auch wenn Sie nicht einkaufen wollen?
Nein, das kann ich nicht sagen. Ich kenne außer dem Fleichhauer Ayaz keine Ständler. Natürlich ist es gut für mich, weil er mir immer das frische Fleisch gibt. Machmal sagt er mir, dass das, was ich kaufen will nicht mehr so frisch ist, und sagt mir wann es wieder geliefert wird.
Der Brunnenmarkt ist einer der größten ständigen Straßen- detailmärkte Europas. Circa 500m, hat eine Hauptader in der Mitte und zwei Nebengassen hinter die Ständen. Verwenden Sie die hinteren Wege auch? Wenn ja, warum?
Ja, besonders unter der Woche zwischen 16 – 18 Uhr und Samstags den ganzen Tag ist der Mittlere Weg voll mit Menschen. Deswegen benutze ich die engen Gassen hinter den Stände. Somit entdecke ich immer wieder die Backstage-Geschichten.Ich habe mich schon viel beschwert aber gehen Sie mal vorbei. Da sieht man ungewünschte Sachen besonders beim Fleisch Ständen. Ich glaube der Marktamt soll sich um Sauberkeit im Stände mehr kümmern.
Entlang der Brunnengasse, was sehen Sie noch beim vorbei gehen? Wurden die Erdgeschoss Lokale als Lager benutzt oder gibt es andere Nutzungen die sie Interessieren?
Nach meiner Beobachtung sind nicht viele Lager zu sehen. Die Lager liegen eher den Quergassen wie der Gaulachergasse. Sonst es gibt eine Bäckerei wo ich immer frisches Brot kaufe. Die restlichen Nutzungen entsprechen meinen Bedürfnissen nicht.
Wie würden Sie den Transformation des Marktes in der Nacht beschreiben?
Wie gesagt, es ändert sich nicht viel von der Lautstärke. Wer in der Nähe vom Gürtel wohnt, feiert am Wochenende mit schreienden Betrunkenen mit. Im Sommer ist der Yppenplatz ein Hotspot und als die Jugendlichen nach Hause gehen, höre ich Sie auch. Außerdem war Drogenhandel damals ein großes Thema aber jetzt ist das unter Kontrolle.
Seit Oktober 2018 gilt in Wien die neue Marktordnung. Diese beinhaltet unter anderem neue Kernöffnungszeiten für die Standler, um den Schutz des Lebensmittelhandels zu gewährleisten. Dass dadurch aber (geradein den Wintermonaten) Lebensmittelverschwendung betrieben wird und die Standler schlechtes Geschäftmachen, wurde nicht bedacht. In Wien ist kein Konsument auf einen gesichterten Lebensmittelhandel des Marktes angewiesen, daher ist dies eine schwache Begründung. Die Standler stehen täglich bis 18 Uhr am Stand, egal ob wetter bedingt kein Mensch zum einkaufen kommt. Die Produkte, die um die ganze Welt reisen, um auf dem Brunnenmarkt verkauft zu werden, stehen als Ausstellungsstückaparat. Am Ende des Tages ist deren Ziel nur noch die Abfallsammelstelle. Wir möchten zum Nachdenkenanregen und zeigen, wie viel Produkte durch die neue Marktordnung weggeschmissen werden.
TU Wien | 2018/19
Diese Arbeit ist im Rahmen des Moduls „Integrales Komunikationsdesign und Visualisierung" am Institut für Kunst und Gestaltung entstanden. Im Wintersemester beobachten und analysierten wir den Brunnenmarkt.
Studierende: Céline Baldeweck, Philipp Frebold, Seda Uydas, Oguz Ozturk, Kristina Lilie
Betreuung: Enrico Bravi, Sophie Dvořák, Florian Gruber, Stefan Lechleitner, Otto Mittmannsgruber, Tobias Schererbauer Institut für Kunst und Gestaltung Argentinierstr. 8, 1040 Wien