Die unten zu sehenden fotodokumentarischen Arbeiten zu einem selbstgewählten Thema am Markt entstanden im Winter 2018. Herausgekommen sind vier Serien, die von der Vielfältigkeit des Marktes erzählen.
Die Fotoserie stellt eine Interaktion zwischen dem stehenden Markt und den bewegten Menschen dar. Der Kontrast - temporär und permanent sollte abgebildet werden. Die gewählten Ausschnitte zeigen eine der wichtigsten Merkmalen des Marktes, nämlich die Gänge. Außerdem erzeugt die Besonderheit der Überdacht sehr interessanten Perspektiven.
Die tunnelartigen Gänge, die sich an der Oberseite des Marktes nur ansatzweise abzeichnen, haben dort unten eine unglaublich starke Atmosphäre. Gerüche kommen aus den einzelnen Ecken gezogen, was besonders am Brunnen spürbar war, in dem angeblich das Fleisch gewaschen wird. Durch die verschiedenen Lichtquellen, von weiß bis orange, entsteht ein abwechslungsreiches Farbspiel. Die unheimliche Stille zieht sich durch die scheinbar unendlich lange Unterwelt.
Einen Tag lang wurde eines Standbesitzer am Markt begleitet und seine einzelnen Arbeitsschritte detailliert dokumentiert. Der Arbeitsablauf ist getaktet; Werkzeuge und Gerätschaften an den richtigen Stellen positioniert. Gleichzeitig ist ein Fleischer mehr als die Summe seiner Arbeitsschritte, er ist Vermittler einer jahrhundertelanger Tradition und damit ein Zahnrad des Marktgeschehens. Es wird vergessen, was Fleisch ist, welche Arbeit eigentlich dahinter steckt und die Tatsache, dass es mehr ist als nur abgepackte Ware.
Im Herzen des 21. Wiener Gemeindebezirks befindet sich der letzte Detailmarkt Transdanubiens, der Floridsdorfer Markt, umklammert vom Schlingerhof, weshalb er auch umgangssprachlich unter dem Namen Schlingermarkt bekannt ist. Er gilt als einer der bekanntesten Wiener Märkte und wurde 1926 an dem Standort errichtet und im darauf folgenden Jahr eröffnet. Nach Erzählungen der BesucherInnen erlebte der Markt in den 80er und 90er Jahren seine Blütezeit. In den letzen Jahren nahm die Besucherzahl stetig ab, wodurch sich auch die Leerstandsquote erhöhte. Das liegt zum einen daran, dass die ältere Generation wegstirbt, welche dem Markt stets treu war, andererseits treiben Supermärkte die Märkte in den Tod.
Dennoch ist der Floridsdorfer Markt immer noch Anlaufstelle vieler Stammkunden. Besonders die urige und familiäre Atmosphäre lockt das Publikum Woche für Woche. Immer wieder gibt es Aktionen der Marktbetreuung und künstlerische Interventionen, die zur Belebung und Reaktivierung des Grätzelmarktes beitragen sollen.
Als nächster Schritt wurde näher in die einzelnen Stände hineingezoomt Zuerst lag unser Fokus auf dem Angebot der Produkte. Die angebotenen Produkte haben verschiedenste Herkunft. Textilien, Haushaltswaren und dergleichen stammen überwiegend aus globaler Produktion. Lebensmittel hingegen, besonders Fleisch und Gemüse, werden hauptsächlich in Österreich oder nahe liegenden Nachbarländern produziert.
Außerdem wurde das Betriebsalter der jeweiligen, aktuellen Stände (Stand November 2018) ermittelt. Hier sieht man, dass sich die meisten Stände schon eine relativ lange Zeit in den Händen der jeweiligen Besitzern befinden. Eine Besonderheit des Marktes ist, dass die Standbetreiber auch gleichzeitig die Eigentümer des jeweiligen Gebäudes und keine Mieter sind.
Noch dazu wurde untersucht, welche kulturellen Wurzeln durch Standbesitzer in den jeweiligen Stand einfließen. Unter anderem sind hier türkische, ungarische, slowenische, aber auch bulgarische und indische Wurzeln zu finden, die den Markt mit diversen Spezialitäten bereichern.
Als nächstes haben wir uns mit den BesucherInnen beschäftigt. Dazu wurden insgesamt 60 Personen befragt. Die Hälfte der Befragung wurde am Samstag während des Bauernmarktes durchgeführt, die andere Hälfte unter der Woche an verschiedenen Wochentagen. Insgesamt war die Anzahl der Befragten in Hinblick auf Geschlecht und Alter relativausgeglichen, wobei samstags die Jungfamilien und Senioren eindeutig am meisten Präsenz zeigten. *
Es wurde jedenfalls festgestellt, dass der Großteil der Befragten sehr regelmäßig den Markt aufsucht und der Markt somit eine Treue Kundschaft hat. Mithilfe eines ausgedruckten Planes konnten die Wohlfühlorte der Einzelpersonen ermittelt werden. Als Sieger ging eindeutig die Gegend des Bauernmarkt hervor. Der nördliche Gang, in dem sich auch die meisten Leerstände befinden, steigt bei dieser Bewertung am schlechtesten aus. Am öftesten wurde der Wunsch geäußert, dass sich der Markt bitte nicht verändern soll, aber auch Sitzmöglichkeiten, konsumfreie Zonen und bessere Gastronomie wurden erwähnt.
*2009 wurde von Knoll-Szalai eine genaue Analyse der MarktbesucherInnen durchgeführt.
Die nächsten Darstellungen zeigen die subjektive Wahrnehmung einer Besucherin. Es wurde versucht den Markt nicht nur visuell, sondern auch auf anderen Sinneswahrnehmungen zu analysieren und wiederzugeben. Geht man die beiden Gänge entlang lässt sich eine abenteuerliche Geruchsabwicklung erleben. Richtung Bauernmarkt wird diese immer deutlicher und intensiver.
Aber auch der Geräuschpegel wächst in diese Richtung immer mehr. Vor Ort sind Klimaanlagen ein auffälliges, akustisches Element. Natürlich hört man auch Gespräche und Plaudereien. Immerhin ist der Markt nicht nur ein Mittel zum Zweck sondern ein Ort der Begegnung und dient als wichtiger Austauschort.
Der Floridsdorfer Markt ist trotz seiner Lage über der Donau sehr gut und einfach zu erreichen. Die Haltestelle der Straßenbahnlinien 30 und 31 ist sogar nach dem Markt benannt. Der Knoten Floridsdorf, der sowohl die U6, als auch mehrere S-Bahnen und Buslinien verbindet, liegt nur circa 8 Gehminuten entfernt. Sowohl Autoparkplätze, als auch Radstellflächen sind in unmittelbarer Umgebung vorhanden.
Laut Befragung kommt der Großteil der Besucher aus dem Grätzel. Dennoch sprachen wir auch mit einigen Leuten, die so gut wie jede Woche auch einen weiteren Weg auf sich nehmen, um den Markt zu besuchen.
Der Markt 2030 - wie könnte er aussehen? Mit dieser Fragestellung sollten wir Visionen für die Situation des Marktes 2030 entwerfen und in Form eines Plakats einprägsam vermitteln. Dabei ging es uns vor allem um die Idee, bereits vorhandene Entwicklungen zum Thema "Markt" weiterzudenken und zu überspitzen, um so zu einem klaren Narrativ zu kommen. Deshalb wollen diese Entwürfe auch als kritische Kommentare zur Gegenwart verstanden werden.
fühl den Markt
Die Aufgabe für diese Kategorie war ein Konzept für eine einfach auszuführende visuelle Aktion im öffentlichen Raum zu entwickeln.
Mit den Menschen vor Ort sammeln wir Assoziationen und Objekte zum Markt und gestalten damit gemeinsam Fliesen, die als Tastspur eine Wand des Marktes zieren. Jeder Ort erweckt ganz unterschiedliche Empfindungen in den Menschen die ihn beleben. Ziel der Floridsdorfer Fliese ist es diese Wahrnehmungen in eine fühlbare Form zu übersetzen. Das spielerische Kombinieren von Mustern und Strukturen soll als Medium verstanden werden das den Dialog fördert. Denn in Zeiten zunehmender Polarisierung ist es wichtig, in einer Stadt wie Wien die kulturelle Vielfalt zu zelebrieren.
TU Wien | 2018/19 | Institut für Kunst und Gestaltung, Argentinierstr. 8, 1040 Wien
Diese Arbeit ist im Rahmen des Moduls „Integrales Kommunikationsdesign und Visualisierung“ am Institut für Kunst und Gestaltung entstanden. Im Wintersemester beobachten und analysierten wir den Floridsdorfer Markt.
© Gruppe B | Studierende: Balci, Delic, Kourouma, Schleritzko
Betreuung: Enrico Bravi, Sophie Dvořák, Florian Gruber, Stefan Lechleitner, Otto Mittmannsgruber, Tobias Schererbauer