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DI Ulrich Leth

Verkehrsplaner, Technische Universität Wien

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DI Ulrich Leth ist Verkehrsplaner am Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien im Forschungsbereich Verkehrsplanung und Verkehrstechnik. Er entwickelt Verkehrskonzepte für Gemeinden, Studien für die Stadt Wien, und er arbeitet an internationalen Projekten. Neben seinen Forschungsarbeiten ist er auch in der Lehre tätig. Ehrenamtlich ist er bei Vereinen wie der „Radlobby“ und „Geht-doch.Wien“ engagiert, sowie bei der Initiative „Platz für Wien“.

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Geht es bei Ihrer Arbeit an der Universität um die Erstellung von Verkehrsprognosen? Also um Fragen wie: Wie entwickelt sich Verkehr allgemein? Welche Maßnahmen müssen gesetzt werden, damit sich gewisse Bereiche entwickeln können, wie man es sich wünscht?

Genau. Also weniger Prognosen, sondern mehr um Szenarien. In der Forschung überlegen wir uns, welche Maßnahmen, welche Wirkungen nach sich ziehen können. Da arbeiten wir hauptsächlich mit Verkehrsmodellen. Wir versuchen Lösungen zu finden, egal ob jetzt infrastrukturseitig oder kostenseitig und versuchen abzuschätzen, wie sich das auf den Modal Split (Anmerkung: Modal Split ist die Verteilung der Wege auf einzelne Verkehrsmittel) auswirken könnte.

Inwieweit hat sich die aktuelle Covid-19 Situation auf Ihre Arbeit beziehungsweise auf die Szenarienerstellung ausgewirkt?

Wir arbeiteten an einem Auftrag für die Stadt Wien, die temporären Begegnungszonen und Pop-up Radwege, wissenschaftlich zu begleiten und zu evaluieren. Um zu sehen, wie sich die geänderte Situation auf das Mobilitätsverhalten ausgewirkt hat, haben wir während desersten Lockdowns im Frühling 2020 aus Eigeninitiative eine internationale Umfrage gemacht. Da bekamen wir auch von ungefähr 12.000 Personen Rückmeldungen. Bei den Radverkehrszählstellen in Wien lässt sich besonders gut ablesen, dass es durch Corona mehrere Entwicklungen gegeben hat. Auch auf das Mobilitätsverhalten gab es mehrere Auswirkungen. In der Befragung hat sich auch gezeigt, dass zum Beispiel während des Lockdowns weniger Leute unterwegs waren. Die meisten Menschen sind auf Individualverkehrsmittel umgestiegen. Zu sehen war auch, dass im Freizeitverkehr das Fahrrad starke Zuwächse gehabt hat. Bei den Freizeitzählstellenentlang des Donaukanals oder Liesingbachs waren teilweise doppelt so viel Radfahrer unterwegs wie im Vorjahr.

Was läuft gut und was läuft schlecht in der Verkehrsplanung in Wien?

Die Stadt Wien hat viele Ziele auf Stadtebene gesetzt: Smart City Rahmenstrategie, Fachkonzept Mobilität. Da soll sich auch aus Klimaschutzgründen zum Beispiel der Modal Split verändern: weg vom Auto und hin zum Umweltverbund, also Öffis, Rad- und Fußverkehr. Bis zum Jahr 2025 sollen nur noch 20% der Wege in Wien mit dem Auto zurückgelegt werden, 2030 dann nur mehr 15%. Momentan befinden wir uns bei ungefähr 27%Autoanteil. Die Ziele gibt es schon länger, aber wenn man sich die Modal Split Entwicklungen anschaut, sieht man, dass sich die letzten sieben bis acht Jahre, überhaupt nicht viel getan hat. Die Verteilung zwischen Rad, Fuß, Öffis und Auto ist konstant geblieben, obwohl das Parkpickerl ausgeweitet worden ist, die Jahreskarte der Wiener Linien deutlich günstiger geworden ist und Begegnungszonen, Fußgängerzonen und Radwege ausgebaut wurden. Also offensichtlich sind die Maßnahmen, die in den letzten zehn Jahren gesetzt worden sind, deutlich zu wenig, um die Ziele zu erreichen. Das heißt, wenn wir in der Intensität weitermachen, werden wir ziemlich scheitern.
Im Verkehr braucht es halt immer gleichzeitig Push und Pull Maßnahmen, um bestimmte Wirkungen zu erzielen. Einerseits muss man Angebot schaffen und auf der anderen Seite braucht es ebeneinschränkende Maßnahmen beim Autoverkehr, wie zum Beispiel Parkraumbewirtschaftung, dass Parken im öffentlichen Raum teurer wird odereinfach weniger Abstellplätze vorhanden sind, damit der öffentliche Raum wieder mehr für Fußgänger und Radfahrer, sowie zur Stadtbegrünung zur Verfügung steht.  Diesen öffentlichen Raum muss man halt dem Autoverkehr wegnehmen. Das hat in dem Fall doppelte Wirkung, eben Push und Pull gleichzeitig.

Im Jahr 2013 wurde die Mariahilfer Straße trotz großen Widerstands der Bevölkerung teilweise in eine Begegnungszone umgestaltet. Diese wird jetzt jedoch sehr gut angenommen. Wie geht man mit Menschen um, die solchen Projekten von vornherein eine Ablehnung entgegenbringen?

Ja, das ist das große Problem in der Verkehrsplanung, dass die Leute generell skeptisch sind, was Veränderungen betrifft. Sie können sich im Vorhinein nicht vorstellen, was sie eigentlich dadurch gewinnen, sondern lehnen Veränderungen einfach nur mal ab. Das war beider Mariahilfer Straße schön zu sehen. Da hat es eine riesengroße PR-Kampagne gegeben und eine Bürgerbefragung, die nur haarscharf für den Umbau ausgegangen ist. Das waren ungefähr 53% und ein Jahr nach dem Umbau war die Zustimmung schon bei über 70%. Ich glaube, da hat die Mariahilfer Straße auch die Wirtschaftskammer zum Umdenken geführt. Nach den Erfahrungen mit der Mariahilfer Straße fordert die Wirtschaftskammer mittlerweile für jeden Bezirk eine verkehrsberuhigte Einkaufsstraße.

Inwieweit arbeiten Sie auch auf internationaler Ebene zusammen? Denn es gibt ja bereits in Kopenhagen oder Amsterdam Paradebeispiele, wo mehr für Fußgänger und Radfahrer gemacht wird.

Naja, zusammenarbeiten wenig. Wir schauen uns immer die positiven Beispiele weltweit an. Dabei muss man aufpassen, dass man sich wirklich nur die guten Punkte aus diesen internationalen Beispielen rauspickt. In Kopenhagen ist der Modal Split vom Autoverkehr genauso groß, wie der in Wien. Der Radverkehrsanteil ist viel größer, dafür ist der Öffi-Anteil deutlich kleiner. Das heißt, natürlich kann man sich dort was abschauen, etwa was die Qualität von Radwegen anbelangt, aber viel ist auch einfach Marketing, wo man halt aufpassen muss, dass man nicht darauf reinfällt. Die Stadt Wien ist da auch ziemlich gut, was Öffentlichkeitsarbeit betrifft.
"(...) wenn man sich die Modal Split Entwicklungen anschaut, sieht man, dass sich die letzten sieben bis acht Jahre, überhaupt nicht viel getan hat. Die Verteilung zwischen Rad, Fuß, Öffis und Auto ist konstant geblieben, (...)"
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Wie hat sich in den letzten Jahren der Forschungsbereich der Verkehrsplanung verändert? Von einer Auto-dominierten hinzu einer klimabewussten und nutzerfreundlichen Planung?

Ja, bei uns hat das sehr früheingesetzt. Professor Hermann Knoflacher hat unser Institut lange geleitet. Er hat ja bereits in den 1970er Jahren damit angefangen, einen Paradigmenwechsel einzuleiten. Was wir auch intern öfter besprechen ist, dass wir mehr von der technischen Verkehrsplanung und Forschung in die Umsetzungsforschung gehen müssen, weil die technischen Grundlagen bereits erforscht sind. Die Frage ist aber, wie man endlich in die Umsetzung kommt. Wir wissen, solange das Auto vor der Haustür wartet, werden wir die Leute nicht in die Öffis bringen. Wenn man den Leuten den Parkplatz vor der Haustür wegnimmt, protestieren sie, auch weil sie halt erst im Nachhinein erkennen, was sie dadurch gewinnen, nämlich Verkehrssicherheit, weniger Lärm und Staub vor der Haustür. Und Kinder können auf der Straße spielen. Deshalb schauen wir auch, dass wir mehr in diese Umsetzungsforschung gehen, denn was zu tun wäre, wissen wir schon länger, aber es passiert einfach nicht.

Wie kann man so etwas in den großflächigen Bezirken, wie Favoriten und Liesing, oder in Transdanubien erreichen, da dort der Autoanteil doch relativ hoch ist? Kann man da einfach auf den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln zählen?

Naja, es sind mehrere Faktoren, die eine Rolle spielen. Klarerweise muss man Alternativen schaffen. Zum Beispiel wären auch Straßenbahnlinien in Transdanubien wichtig, die auch als Zugbringer zur U-Bahn für öffentlichen Verkehr dienen. Über der Donau gibt es aber auch noch immer kein Parkpickerl. Das wird aber wahrscheinlich nicht mehr lang so bleiben. Auf der anderen Seite sieht man auch den Zusammenhang mit der Stadtplanung oder mit der Raumplanung. Wenn ich Neubaugebiete irgendwo auf die grüne Wiese hinstelle, wo schlechte Öffi-Anbindung ist, dann produziere ich klarerweise Autoverkehr dadurch. Da müsste schon mehr mitgedacht werden.

Jetzt sieht man vermehrt immer öfter Paket- oder Zustelldienste, die auf Fahrrädern unterwegs sind. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus? Kommen dann auch Unternehmen auf Sie zu und äußern Anregungen zu besser Radinfrastruktur?

Ja, da gibt es immer wieder Kooperationen, auch was Logistikkonzepte betrifft. Es ist ineffizient mit einem Kastenwagen kleine Packerln zu zustellen und alle 200 Meter irgendwo stehen zu bleiben, in zweiter Spur, am Gehsteig oder am Radweg. Da gibt es Konzepte für lokale Verteilstationen, wo einmal am Tag ein Container hingestellt wird, und von dort erfolgt dann die Feinverteilung im Umkreis von 2 km mit Lastenrädern. Daran wird gearbeitet, aus Gründen der Flächeneffizienz und Verkehrssicherheit. Lieferwagen stellen eben nicht nur eine Gefahr, sondern auch ein Umweltproblem dar. Die Feinverteilung kann mit dem Rad auch klimaneutral passieren.

Geht man in der Verkehrsplanung auch auf jahreszeitliche Einflüsse ein? Radfahrer steigen im Spätherbst dann doch wieder auf andere Verkehrsmittel um.

Ja, das Umsteigen oder dieser Rückgang im Winter ist in Wien besonders stark. Es gibt aber auch schöne Beispiele aus Finnland, wo die Schüler einer Schule im Winter im Schneetreiben mit dem Rad in die Schule fahren. Es kommt da stark auf die Infrastruktur an, man kann auch im Winter sicher mit dem Rad unterwegs sein. Wenn die Radwege geräumt werden und man keine Angst haben muss, auf schneebedeckten Schienen auszurutschen und vom nachkommenden Auto überfahren zu werden. Auf der anderen Seite gibt es natürlich das gut ausgebaute Öffi-Netz in Wien. Da überlegt man es sich halt dreimal, ob man beim Schneetreiben mit dem Rad fahren will oder nicht einfach in die Straßenbahneinsteigt. Aber ja, da ist gut zu beobachten, dass dieser Rückgang in Wien sehr stark ist.

Besitzen Sie ein Auto?

Nein, ich habe während des Studiums ein Auto gehabt. Aber die Kosten waren einfach zu hoch, sodass ich es verkauft habe und seither keines mehr habe.  Während des Studiums habe ich dann angefangen mit dem Rad zu fahren. Am Anfang bin ich noch mit der U-Bahn auf die Uni gefahren und was mich dann gestört hat war diese Abhängigkeit. Wenn es Störungen gab, konnte man sich die Reisezeit nicht genau einplanen. Ja, seither bin ich in Wien eigentlich nur mehr mit dem Rad unterwegs. Ich weiß auf zwei, drei Minuten genau, wann ich ankomme. Bewegung am Arbeitsweg ist auch ganz nett. Das fehlt mir jetzt sehr im Home-Office.

Sinan Cakmak

Taxifahrer, Student

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Sinan Cakmak ist ein 32-jähriger Architekturstudent und seit acht Jahren Taxilenker. Er ist in Niederösterreich geboren und aufgewachsen, seit seinem Studium lebt er in Wien.

Bitte beschreiben Sie sich und Ihre Situation als vollzeitarbeitender Taxilenker und Student!

Also, ich fahre seit ungefähr acht Jahren Taxi, seit ich nach Wien gekommen bin; und seit ca. sieben Jahren bin ich auch auf der Uni und studiere Architektur. Am Anfang war das Taxifahren für mich nur ein flexibler Job, und ich habe auch ziemlich gut verdient. Wegen des Studiums und der Arbeit daneben haben sich meine sozialen Kontakte immer mehr verringert, aber dafür hatte ich nie finanzielle Probleme. Leider kämpfte ich jahrelang mit extremer Schlaflosigkeit, weil ich als Nachtarbeiter tätig war. Das Gute ist jedoch, dass man sehr viele neue Menschen kennen lernt. Einige dieser Leute begleiten mich schon lange, haben mich in gewisser Weise auch geprägt. Seitletzten November bin ich nun Tagfahrer. Für mich fühlt sich das so an, als hätte ich jetzt etwas ganz Neues entdeckt.  Viele Leute meinen, dass es mit dem Studium zu langegedauert hat, doch arbeite ich ja auch fast 60 Stunden in der Woche. Malschauen, ob ich nach dem Bachelor noch den Master mache. Nebenbei bereite ich mich auch auf die Filmakademie vor. Ich werde versuchen in die Filmakademie reinzukommen, es ist aber leider nicht so einfach. 

Was genau war das Problem in der Nachtarbeit?

Viele glauben, beim Nacht-Job sind die alkoholisierten Fahrgäste das Problem, doch nein, ganz im Gegenteil. Das sind die süßesten Kunden, die Alkoholiker. Die geben auch gutes Trinkgeld, muss ich zugeben. Sie sind meistens einsam. Sieführen ein monotones Leben und versuchen mit anderen Gespräche zu führen. Wenn man für sie ein offenes Ohr hat, dann wird man ganz schnell befreundet. Das Schwierige an der Nachtarbeit ist das Schlafproblem, man kann nur sehr schwereinschlafen, wenn es hell ist. Gut, kein Nachtschlaf wäre mal das Eine… Termine kann man sich dann auch schwer ausmachen. Dates sowieso. Essen und verschiedene Gewohnheiten ändern sich sehr schnell. Ich hatte zwar soziale Kontakte, aber keine Zeit für sie. Nun bin ich aber der Meinung, dass ich nur das verdienen möchte, was ich auch wirklich brauche, und meinen Hobbys folgen möchte. Ich habe jetzt endlich wieder Zeit für meine Freunde und Zeit für mich selbst. Man ist viel motivierter, wenn man in der Früh aufsteht. Das habe ich viele Jahre nicht gehabt

Weil Sie bereits die finanzielle Situation erwähnt haben: Sind Sie selbstständig oder bei einem Unternehmen angestellt?

Nein, ich bin nicht selbstständig, will ich auch nicht werden. Von meinen Chefs weiß ich, dass die nicht so einfach schlafen können, wie ich jetzt. Wenn man selbstständig ist, hat man ununterbrochen Probleme, mit den Autos, mit MitarbeiterInnen oder Kunden. So etwas brauche ich auch nicht. Ich habe nicht vor, jahrelang als Taxifahrer weiterzuarbeiten.

Spannend ist ja, dass Ihre Arbeit nur ein Nebenjob ist, Sie dann aber trotzdem bis zu 60 Stunden in der Woche arbeiten.

Viele glauben, man fährt nur mit dem Auto und verdient Geld. Es ist nicht ganz so einfach, denn man muss schon wissen, wo man hinfährt und wo die Leute sind. Man muss immer aktiv sein, vor allem in der Nacht. Welche Klubs sind offen? Wo geht was ab? Wo sind die meisten Partys? Solche Sachen muss man immer wissen. Das ist immer sehr geplant bei mir. Also, ich bin da nicht spontan oder so. Aufgrund der Arbeit habe ich das breiteste Spektrum der Menschen kennengelernt, jede Art von Menschen. Ich habe immer ein Notizbuch mit dabei und schreibe jeden Tag, was ich sehe und was ich erlebe. Auf der Straße liegen sehr interessante Geschichten.

Gibt es für Sie grundsätzlich eine spezielle Zielgruppe, an der Sie sich orientieren? Zum Beispiel eine bestimmte Altersgruppe?

Seitdem es Uber und Bolt (Anmerkung: Uber und Bolt sind Fahrdienstleistungsunternehmen. Die Fahrer benötigen seit dem  1. Jänner 2021 wie andere Fahrdienstanbietereinen Taxischein) gibt , fahren eher die jungen Leute lieber mit denen, da sie ja günstiger sind. Taxis werden von der jüngeren Gruppe nicht so häufig benutzt. Ich denke, es gibt in Wien einen unsichtbaren Status. Die Abstufungen zwischen den Menschen erkennt man während dieser Arbeit sehr schnell. Leute, die im 13., 18., 19. Bezirk wohnen, die etwas mehr verdienen, nehmen eher ein Taxi. Sie wollen nicht mit der U-Bahn fahren, vor allem nicht mit der U6. Das bemerkt man sofort. In der Nähe vom Gürtel findet man daher sehr viele Kunden in diesem Klientel. Ältere und jüngere Damen haben meistens in der Nacht Angst draußen. Die zum Beispiel vom Volksgarten (Club) hinausgehen, überlegen dann: „Soll ich nicht doch lieber mit dem Taxi nach Hause fahren?“ In Österreich gibt es auch die spezielle Kultur - das gefällt mir immer sehr gut – mit dem Taxi zufahren, wenn man betrunken ist.
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"Ich habe dabei viel Neues gelernt. In der Nacht gibt es dann halt schon sehr aufregende Geschichten."

Wie sieht es allgemein mit der Konkurrenz mit Uber und Bolt aus? Ist die gesamte Taxibranche durch die neuen Mitbewerber eingebrochen?

Diese Frage bekomme ich sehr oft gestellt. Zwischen Uber und Taxi gibt es nicht so einen großen preislichen Unterschied, wenn alles korrekt abläuft. In der Taxibranche sollte man schon ein bisschen nett und gesprächig sein. Sich um die Kunden kümmern und bemühen. Das haben die Taxifahrer komplett auf die Seite gelegt. Immerhin geht man auch gern in ein Lokal, wo man freundlich empfangen wird. Besonders wichtig ist auch, dass man als Taxifahrer alle Straßen in Wienkennt. Doch dann kamen die Uber-Fahrer, die sich überhaupt nicht im Wiener Straßennetz auskennen. Viele von ihnen fahren total falsch und katastrophal. Ich bin jeden Tag auf der Straße und da bemerke ich sofort, dass die Uber-Leute weder eine Ausbildung noch einen Taxischein haben. Es gibt wirklich viele Kunden. Vor allem in Österreich, besonders in Wien. Jeder sollnatürlich das verdienen, was er verdienen kann und auch will. Es soll jedoch Gleichberechtigung geben, egal ob das Uber, Bolt oder Taxis sind. Ich verwende ja auch manchmal Bolt!(lacht)  Das Schlechte an der Uber-Sache ist, dass viele Arbeiter angeben, dass sie 40 bis 50 Stunden in der Woche arbeiten. Das stimmt aber meistens nicht. Oft arbeiten die Leute 16-17 Stunden - am Tag! Es gibt Leute, die im Auto schlafen, um Geld zu verdienen. Da gibt es oft keine Grenzen mehr, man wird dann irgendwie gierig und will immer mehr. Das ist aber auch bei den Taxis so. Man glaubt die haben einen fixen Lohn, aber das stimmt so nicht. Das Taxiunternehmen bekommt nämlich pro Woche einen Pauschalbeitrag vom Fahrer. Man will immer mehr verdienen und dann arbeitet man auch viel mehr. Soziale Kontakte und auch Familie leiden dann darunter.

Es gibt das Bestreben, mehr Begegnungszonen in der Stadt zu schaffen und den motorisierten Verkehr einzuschränken. Was halten Sie von diesem Trend und wie beurteilen Sie das Wiener Straßennetz?

Diesen Trend finde ich ja nicht schlecht, man muss an die Zukunft denken. Es gibt immer mehr Autos in der Stadt, mehr Menschen in der Stadt, es gibt auch mehr Staub. Das ist auch okay, dass man dem entgegenwirken will und Begegnungszonen, Radwege oder auch U-Bahn ausbauen möchte. Aber mittlerweile ist das Autofahren in Wien wirklich zu einem Jammer geworden. Die Fahrspuren werden immer schmäler und es gibt immer mehr Ampeln. Also vor allem im Sommer, wenn man gegen 17 Uhrdraußen unterwegs ist, kann man seinen Kunden oft nicht abholen. Der Kunde ist bereits einige hundert Meter vor dir, aber du hängst im Stau und kommst nicht voran. Das wird immer schlimmer. Straßenbautechnisch und auch städtebaulich ist Wien jedoch wahrscheinlich eine der besten Städte weltweit. In Wien ist es möglich alle Orte mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Ich bin sehr glücklich in Wien zu wohnen, aber verkehrstechnisch wird es immer schwieriger. Schauen wir mal, wie es mit der neuen Landesregierung SPÖ - Neos jetzt wird.

Wenn wir dann auch schon kurz beim Umweltthema sind, wie sieht es grundsätzlich mit E-Mobilität und alternativen Antriebsformen aus? Gibt es da eine Entwicklung oder einen Trend in der Taxibranche?

Ja, ganz klar. Die ganzen Hybrid- und Elektrotaxis werden in Wien von der Stadt subventioniert. Ich fahre derzeit auch ein Hybridauto und das schon seit drei Jahren. Für eine Normalperson kostet so ein Fahrzeug rund 20.000€, für Taxiunternehmerungefähr 16.000-17.000€. Etwa ein Viertel der Ankaufskosten werden von der Stadtgefördert, und die Tendenz steigt nach oben. Es gibt auch bereits Taxistandplätze nur für Taxis mit Elektroantrieb. Wien steht im Vergleich zu anderen Städten relativ gut da, was alternative Antriebsformen betrifft. 

Haben Sie Lieblingsorte oder Lieblingsstandplätze?

Es gibt immer einen Lieblingsstandplatz für Taxilenker. Ich bin sehr gerne im 5., 6.und 15. Bezirk. Das hat einen kulturellen Hintergrund. Die Leute dort sind einfach sehr freundlich, und man spürt auch, dass sie gut gebildet sind. Daher kann man mit ihnen interessante Gespräche führen. Es ist möglich, verschiedene Gesellschaftsstrukturen wahrzunehmen. Die Leute vom 13. oder 19. sind zwar auch freundlich, aber halt etwas hochnäsig. Die Leute vom 10. oder 11. Bezirk geben meistens kein Trinkgeld. Von den Standplätzen her sind zum BeispielKettenbrückengasse oder Hernalser Gürtel super. Wenn kein Lockdown ist, dann wartet man dort maximal 10 Minuten, bis jemand einsteigt. Sehr selten bin ich hingegen im 1. Bezirk. Dort merkt man nämlich sofort, dass die Leute dich als Mensch dritter Klasse einstufen. Sehr oft kommt es vor, dass jemand einsteigt und sieht, dass du jung bist und dich dann gleich in ein Gespräch verwickelt. Sie fragen mich, was ich mache und wenn ich sage, dass ich Architektur studiere, dann ändert sich sofort das Gesprächsthema, das gefällt mir besonders gut. Das Schwierigste ist, wenn man mit einem Paar fährt und sie während der Fahrt streiten. Da möchte man nicht zuhören und lieber die Musik einschalten.

Haben Sie eine interessante oder spannende Situation erlebt, die Sie mit uns teilen möchten?

Naja, da gibt es noch so eine Situation, das war glaube ich ein Politiker, der mit seiner Freundin eingestiegen ist. Wenn man solche Menschen draußen sieht, denkt man sich, das sind ja voll qualitative Personen. Was ich aber alles im Autogehört habe, kann man sich nicht vorstellen. Sie haben schrecklich gestritten und sich beschimpft. Der Mann meinte, dass seine Freundin alles da lassen soll, ihre Louis-Vuitton-Tasche und das Handy, weil es eh nicht ihr gehört und aus dem Auto aussteigen soll. Zu mir war der Typ aber sehr nett und hat mit Trinkgeld gegeben. In Wien gibt es immer wieder interessante Geschichten. 

Denken Sie sich manchmal, dass Sie bei einer Fahrtnichts Aufregendes erleben wollen, sondern einfach in Ruhe Taxifahren?

Also, tagsüber erlebt man eh sehr wenig, da steigen meistens ältere Damen ein, die mir dann auch sehr oft Geschichten über Architektur erzählen, und sie kennen sich auch sehr gut aus. Ich habe dabei viel Neues gelernt. In der Nacht gibt es dann halt schon sehr aufregende Geschichten. Es liegt in meiner Natur, dass ich dieses Monotone, die Starrheit mal brechen möchte. Wenn ich nichts erlebe, dann überhole ich gerne in der Innenstadt Autos und mache mir meinen eigenen Spaß. 
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Kommunikation in zeit- und webbasierten Medien
Integrales Kommunikationsdesign und Visualisierung - TU Wien