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Interview mit Johannes Mader
Sachgebietsleiter Umwelt undNachhaltigkeit der Stadt Andernach

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Interview mit Bärbel Schäfer
Regierungspräsidentin desbaden-württembergischen RegierungsbezirksFreiburg

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Johannes Mader
Sachgebietsleiter Umwelt und Nachhaltigkeit der Stadt Andernach

Im Jahr 2007 hat die Stadtverwaltung Andernach, eine kleine Stadt mit 30.000 Einwohnern in Rheinland-Pfalz, Deutschland, die „Essbare Stadt Andernach “ins Leben gerufen. Anstelle der üblichen, mit Tulpen bepflanzten Rasenflächenwächst an der historischen Stadtmauer jetzt Gemüse wie etwa Zucchini, Grünkohl und Hopfen und es ranken die Weinreben am ehemaligen Burggraben. Die Verkehrsinseln bieten mit ihren Blühmischungen ein Refugium für Insekten und Schmetterlinge. Doch das alles dient nicht nur dem Auge: Jede und jeder darf die Beete betreten und Gemüse und Früchteernten. Das Projekt wird nicht nur von der Bevölkerung gut angenommen, sondern dient auch als Vorbild für andere Kommunen.

«Pflücken erlaubt» statt «Betreten verboten»

Herr Mader, wie würden Sie das Konzept der Essbaren Stadt beschreiben? Was war dieInitialzündung für das Projekt?
Wir wollten eine attraktive Grünfläche bereitstellen mit einem wirklichen Nutzen, wollten mit Gerüchen und Geschmack neue Wahrnehmungsreize in die Stadt bringen.
Initiator war der Leiter unseres Sozialamtes, der für unsere gemeinnützige Beschäftigungsgesellschaft zur Integration Langzeitarbeitsloser nach sinnstiftenden Einsatzmöglichkeiten suchte. Für diese sollten einerseits keine speziellen Qualifikationen erforderlich sein, anderseits sollten sie


Wie haben Sie ihr Projekt organisiert und wie wird die Bürgerschaft einbezogen?
Man kann schon sagen, dass wir den klassischen Top-Down-Ansatz gewählt haben. Die Steuerung erfolgt von der Verwaltung aus. In unserem Bereich sind Sachgebiete wie Marketing, Klimaschutz, Presse-und Öffentlichkeitsarbeit und Baumkontrolle angesiedelt. Zudem haben wir eine Kollegin, die ein EU-Forschungsprojekt zu unserem Themabetreut. Die Pflege der Anlagen wird von der „Perspektive“, also der Beschäftigungsgesellschaft, als Dienstleister übernommen. Kleinere Teilbereiche laufen auch im Rahmen



Die Bürgerinnen und Bürger dürfen aber ohne Einschränkungen ernten oder müssen Sie hier streng reglementieren etwa um Vandalismus zu verhindern?
Nein, eigentlichen funktioniert das alles ganz gut. Natürlich gab es zu Beginn die Sorge vor Vandalismus. Das  hat sich aber nicht innennenswertem Umfang bestätigt. Jüngstes Beispiel sind Kinder, die mit den Rädern über einen Hang, auf dem Obstbäume   











aber schnell einen sichtbaren Mehrwert erbringen. Wir haben hier bereits mit unseren „Permakultur-Gärten“ gute Erfahrungen gemacht. Gärtnern ist halt schön, weil du siehst, was aus deiner Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes „erwächst“. Gleichzeitig haben wir in Andernach die Grünflächen entlang der historischen Stadtmauer, die etwas im Dornröschenschlaf lagen, also wenig attraktiv waren. Da hat unser Sozialamtsleiter vorgeschlagen, “Lasst uns doch mal etwas ganz Neues machen und einen Gemüsegarten anlegen!”



bürgerschaftlichen Engagements. Im Großen und Ganzen war es aber von Anfang an so, dass sich die Stadt darum gekümmert hat, dass die Flächen gepflegt werden, und deswegen relativ wenig Bürgerbeteiligungentstanden ist. Wir streben das zwar immer an, aber beim Gärtnern braucht es Verbindlichkeit.
Das liegt sicher auch an unserer Struktur: wir sind eine Kleinstadt mit 30.000 Einwohnern und 4 Stadtteilen, die eher dörflich geprägt sind. Wer gärtnern will findet dazu also meist auch im eigenen Garten die Möglichkeit.



stehen, fahren. Dass jemand zu viel erntet gibt es eigentlich nicht. Wir versuchen auch bei den, ich sage mal „Kurzumtriebsachen“ schnell nachzupflanzen. Im Übrigen hilft uns unser Ampelkarten-System. Rot heißt:es ist noch nicht reif, Gelb: nur im größten Notfall und Grün heißt: kanngeerntet werden.

Wir meinen es ernst mit unserem Slogan “Pflücken erlaubt”.

Dient ihr Projekt auch dazu, die Versorgung der Bevölkerung mit regionalen Produktensicherzustellen?
Ganz klar: Nein. Wir haben aktuell eine Fläche von ca. 1,6 ha. Dazu zählen Bäume, ein Bouleplatz und Blühflächen zur Förderung der Biodiversität. Geschätzt würden wir vielleicht 0,1% unserer    


Wie geht es weiter mit der „essbaren Stadt“, haben Sie Pläne, Visionen, Utopien? Wie stellen Sie sich auf den Klimawandel ein?
Wir schauen schon, dass wir resistente, wasserschonende Sorten nehmen. Wir sind am Mittelrhein klimatisch relativ günstig gelegen. An der Stadtmauer haben wir sogar Granatäpfel und Knackmandeln, die auch noch wärmere Temperaturen sehr gut vertragen. Das Thema Pflege und Bewässerung ist bei solchen Projekten meiner Meinung nach essentiell. Da würden wir vieles heute natürlich von Anfang an anders konzipieren. Und Visionen haben wir durchaus, vielleicht auch Utopien. Es gibt   

Bevölkerung ernähren können. Wir bewirtschaften das Ganze extensiv, das heißt ohne Dünger und Pestizide. Was uns aber wichtig ist: Wir wollen zeigen, wasauf einer Grünfläche möglich ist. Dass man auch Nutzpflanzen attraktiv zusammenstellen kann. Dass roter Mangold nahrhaft ist und schön aussieht.


Überlegungen, die „schwimmende, essbare Stadt“ auf dem Rhein zu realisieren, etwa durch Anbau auf einem Floß zu zeigen wie man Fläche schaffen kann in einer Zeit, in der Flächen eben knapp sind. Oder auch mit Aquaponik neue Methodenauszuprobieren, ganz auf Bodensubstrat zu verzichten. Etwas anderes, was manauch mit Aquaponik verbinden könnte, wäre Vertical Farming. Indem man versucht mit dem Anbau in die Höhe zu kommen, könnte man wiederum Fläche sparen. Das ist aber für uns noch Zukunftsmusik. Denn Visionen müssen zuerst finanzierbar sein, damit sie Realität werden können. (Ausführliches Interview: Siehe E-Book)

Interview mit Bärbel Schäfer
Regierungspräsidentin desbaden-württembergischen Regierungsbezirks Freiburg

Das Biosphärenreservat Schwarzwald wurde 2017 von der UNESCO anerkannt. Es liegt im Südschwarzwald nahe der französischen und schweizerischen Grenze. Es umfasst eine Fläche von 632 km², erstreckt sich über vier Landkreise und beinhaltet auch einen Teil des Stadtkreises der Stadt Freiburg. Insgesamt sind am Biosphärenreservat 29Kommunen beteiligt. Gesteuert wird es wird von einer Geschäftsstelle, die direkt der Regierungspräsidentin des Regierungsbezirks Freiburg, Bärbel Schäfer, zugeordnet ist. Alle relevanten Gesellschafts- und Wirtschaftsgruppen, sowiedie kommunalen Gebietskörperschaften sind beteiligt und wirken intensiv mit. Es gibt regelmäßige sogenannte Säulenveranstaltungen, in denen dieLandwirtschaft, der Tourismus, die Kultur, der Naturschutz, die Bildung u.s.w. vertreten sind. Bürgermeister/innen steuern übereinen Beirat mit. Und die Entscheidungen werden in einem breit angelegten Lenkungskreis gefasst.

Baden-Württemberg hat mit dem Schwarzwald bereits einen großenNationalpark. Warum braucht es dann auch noch ein Biosphärengebiet Schwarzwald? 
Dafür gibt es viele Gründe. Zum einen ist der Nationalpark imNordschwarzwald. Der Nordschwarzwald zeichnet sich durchdichten Waldbestand aus. Das Biosphärengebiet liegt im Südschwarzwald und hateine ganz andere Landschaftsform. Hier gibt es viele offene Weidelandschaften,die in die Wälder hineinragen. Der zentrale Unterschied ist aber, dass ein Nationalpark in erster Linie dem Naturschutz dient. Dort werden  

Was genau macht denn ein Biosphärengebiet aus? 
In einem Biosphärenreservat haben wir drei unterschiedliche Zonen: Die Kernzone, in der die Natur sich selbst überlassen bleibt; das sind bei uns die sogenannten Bannwälder. Da greifen wirnicht ein. Wenn Bäume absterben, wird das Totholz von verschieden Pflanzen- und Tierarten genutzt. Dann gibt es die

Aber warum gerade noch ein Biosphärengebiet im Südschwarzwald? Es gibtweltweit über 650 Bio-sphärenreservate, allein in Deutschland sind es bereits 15. 
Ja, das stimmt. Aber jedes hat sein Alleinstellungsmerkmal. Bei uns sind es die Allmendweiden. Das sind Wiesenflächen, die in früheren Zeiten im Besitz der Gemeinden waren und den ärmeren Bauern zur Verfügung gestellt wurden, um ihr Vieh dort zu weiden oder Futter zu gewinnen. Diese Weideflächen gibt es heute noch, doch sie drohen verloren zu gehen, da es  


Welche Vorteile oder auch Fortschritte im Hinblick auf die formuliertenZiele haben Sie erreicht?
Mit dem Projekt haben wir viele Fördergelder in die Region geholt. Wir haben das Vertrauen der Landwirtschaft gewonnen, indem wir die Anschaffung spezieller Gerätschaften, die für diese Steillagen benötigt werden, finanziell unterstützt haben, wie etwa spezielle Hangmähmaschinen. Dann sind wir in die Konzeption konkreter Projekte gegangen,gemeinsam mit den Landwirten.So ist es uns gelungen, die Direktvermarktung von Fleisch massiv zusteigern. Wir haben Genossenschaften gegründet, die ganz speziell dieNebenerwerbslandwirte unterstützen. Diese organisieren die gemeinsame Vermittlung des Verkaufs der Weidetiere an größere Lebensmittelketten oder bilden die Basis füreine gemeinsame Käseproduktion. Wir haben aber auch Vermarktungsoffensiven über Onlineplattformengestartet.

Jetzt ist ihr Biosphärengebiet ja verhältnismäßig jung. Was haben Sienoch vor? 
Noch sehr, sehr viel. In den letzten Jahren haben wir mit Fördermitteln von 3,5 Mio € Investitionen von 5,4 Mio € ausgelöst. Das ist erst der Anfang. Wir haben unter Beteiligung aller 29 Gemeinden und zahlreicher Stakeholder jetzt unser Arbeitsprogramm für die nächsten zehn Jahre verabschiedet. Für den Bereich der Landnutzung wird es vor allem darum gehen, die Bewirtschaftung der 10.000 Hektar Allmendweiden langfristig zu sichern. Wir entwickeln gemeinsam mit den Bewirtschaftern und den


große Waldflächen sich selbst überlassen. Natur darf einfach Natur sein. Die Menschenbetrachten dies, greifen aber nicht ein. Ein Biosphärengebiet ist etwas völlig anderes. Es ist nicht in erster Linie nur ein Naturschutzprojekt. Biosphäre nach der Definition der UNESCO heißt: Man and his Biosphere. Das sind Modell regionen, in denen gezeigt werden soll, wie der Mensch im Einklang mit der Natur, aber eben auch in wirtschaftlichem Wohlstand, gut leben kann. Biosphärenreservate sollen Lernorte für nachhaltige Entwicklung sein.


Pflegezone. Diesen Bereich umschließen die Kernzonen und gestalten so den Übergang von Wildnis zu den Bereichen der üblichen Nutzung. In den Entwicklungszonen, die den größten Anteil ausmachen und besiedelt sind, geht es darum, mit Modellprojekten für eine nachhaltige Bewirtschaftung von Ressourcen zu werben und diese zu fördern.


sich für die meisten Landwirte gar nicht mehr lohnt, diese Flächen, die meist an Steilhängen liegen, zu bewirtschaften. Wenn sich aber die Landwirte – frustriert durch den Preisverfall bei Nahrungsmitteln und die immer teurer werden Produktionskosten - aus der Landwirtschaft und somit aus der Landschaftspflege zurückziehen, wachsen diese Flächen zu. Übrigbleiben nur noch große Waldflächen.  Nachhaken, nachdem die erste Frage nicht direkt beantwortet sondern erst eine Begriffserklärung gemacht hatte – das ist gut!

So wird z.B. ein Tier erst dann geschlachtet, wenn entsprechend viele Bestellungen eingegangen sind. Das minimiert das Risiko des Landwirts. Gleichzeitig haben wir durch unsere sogenannte Hinterwälderinitiative erreicht, dass eine vom Verschwinden bedrohte Rinderrasse, die für diese Region typisch ist, jetzt wieder gezüchtet wird. Das ist für die Offenhaltung der Landschaft besonders wichtig, da diese Rassekleiner und widerstandsfähiger ist und so gut geeignet ist, bis in die höheren Lagen zu weiden. Diese Rasse kommt auch mit Weiden zurecht, die nicht intensivbewirtschaftet und gedüngt werden. Wir haben Spitzenköche aus der ganzen Region gewonnen, die während der Hinterwälder wochenspezielle Gerichte mit diesem Fleisch anbieten. Damit haben wir das Biosphärengebiet überregional bekannt gemacht. Das sind ja alles ganz tolle Errungenschaften! Finde ich sehr interessant, welche konkreten Folgen das hat.

Gemeinden Konzepte, die sicherstellen, dass auf diesen Weiden zu annehmbaren Pachtbedingungen Landwirte gemeinsam ihre Schafen, Ziegen etc. weiden lassen oder ihre Produkte anbauen können. Wir unterstützen bei Hofnachfolgen, und wir werden weitere Vermarktungsketten für Fleisch, Milchprodukte, Obst, Brennereien in die städtischen Zentren aufbauen. Wir entwickeln Einkaufsführer und starten eine groß angelegte Imagekampagne. Das ist aber nur ein ganz kleiner Ausschnitt. Unser Rahmenkonzept umfasst 300 Seiten. Es bleibt also noch viel zu tun.
(Ausführliches Interview: Siehe E-Book)

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