Interviews

Ob Botaniker oder Landschaftsarchitekt, jedem von ihnen liegt die Natur sehr am Herzen und setzt sich für ein grüneres Wien ein.
Aus Expertengesprächen sind uns neue interessante Fakten und Perspektiven über die Flora in Wien ersichtlich geworden.

Interview

Ass.-Prof.Dr. Luise Ehrendorfer-Schratt

Interview

Dipl.- Ing. Dr. nat. techn. Katharina Lapin

Interview

Dipl. Ing. Daniel Zimmermann

Gespräch mit
Ass.- Prof. Dr Luise Ehrendorfer-Schratt

Frau Prof.Dr.Schratt-Ehrendorfer ist eine kenntnisreiche Pflanzenexpertin und beschäftigt sich mit der mitteleuropäischen Wildpflanzenflora in Wien. Sie hat ein Studium in Botanik und Biochemie an der Universität Wien und nebenher ein Studium in Pflanzenbau, Geowissenschaftund Statistik an derUniversität für Landwirtschaft absolviert. Zurzeit lehrt sie als Professorin an der Universität Wien am Institut für Botanik und Biodiversitätsforschung und ist zusätzlich auch an der Universität für Bodenkultur tätig.Außerdem befasst sich mit der roten Liste gefährdeter Pflanzen Österreichs und hat eine ehrenamtliche Stelle im Umweltbeirat in Wien. ist Landschaftsarchitekt und Umweltpädagoge in Wien. Er besuchte die Gartenbauschule in Schönbrunn und absolvierte ein Studium an der BOKU, TU Wien sowie an der Uni Hannover. Er war Lehrbeauftragter an der BOKU im Department für Raum, Landschaft und Infrastruktur und an der TU Wien in den Fakultäten Architektur und Raumplanung, Städtebau, sowie Landschaftsarchitektur und Entwerfen. In verschiedenen Landschaftsarchitekturbüros in Wien war er planerisch tätig. Im Jahr 2000 gründete er zusammen mit zwei weiteren Partnern das Landschaftsbüro „3:0“ Von 2009 bis 2016 vertrat Daniel Zimmermann im erweiterten Vorstand der Plattform Architekturpolitik und Baukultur die Anliegen der ÖGLA, der Österreichischen Gesellschaft für Landschaftsarchitekten.

Frau Ehrendorfer, gibt es in Wien eine große Artenvielfalt?

Ja, es gibt insgesamt 3311 Pflanzenarten in Österreich, davon sind 1490 in Wien.
Mehr als ein Drittel des natürlichen Lebensraums sind Neophyten.

Können Sie uns den Begriff Neophyten genauer erläutern?

Neophyten sind neben den kultivierten, also den einheimischen Arten, Pflanzen, die eingebürgert oder vorübergehend mithilfe der menschlichen Hand eingeschleppt werden. Neophyten werden dann noch unterteilt in adventive Arten. Das sind Arten, die nur mithilfe des Menschen etabliert wildwachsen und nicht an ihrem Ursprungsgebiet durch anthrophogenen Einfluss etabliert werden.


Seit wann gibt es eigentlich Neophyten?

Neophyten wurden nach 1492, dem Jahr der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus, mit direkter oder indirekter, bewusster oder unbewusster Mithilfe des Menschen, in ein Gebiet geschleppt, in dem sie natürlicherweise nicht vorkamen. Alle Arten, die vor diesem Stichtag eingewandert sind, nennt man Archäotypen. Diese erreichten Amerika vor Kolumbus und pflanzten sich ohne fremde Hilfe fort. Den Grad der Etablierung kann man wiederum unterteilen in Agriophyten, - Arten, die sich im neu besiedelten Gebiet unabhängig vom Menschen in natürliche Lebensräume etabliert haben und Bestandteil der natürlichen Vegetation bleiben- Ephemerophyten- Adventivarten, die nur vorübergehend in einem Gebiet auftauchen und kurzlebig sind- und Epökophyten-Arten, die nur in vom Menschen geprägte Vegetationseinheiten, wie Wiesen, Unkrautfloren oder Ruderalvegetation, aber hier fest eingebürgert sind.

Wie genau kommen diese Pflanzen nach Wien und wo sind sie am häufigsten zu finden?

Nach Wien können die Pflanzen spontan, ohne direkte Hilfe einwandern, oder durch direkte Hilfe mit menschlichen Transportwegen. Es gibt aber auch verwilderte Kulturarten, die sich aus eigener Kraft ausgebreitet haben und nach Wien gelangt sind.  Sie kommen häufig an Hafengebieten, Straßen, Fluggebieten, Frachtgebieten und Bahnstrecken durch den Import von Waren vor.

Was gibt es für negative Einflüsse auf die Pflanzenwelt?

Der Klimawandel ist ein großes Problem für bestimmte Pflanzenarten. Pflanzen werden gestresst durch die Hitze.  Andererseits gibt es aber Arten, die sich in der Hitze besser fortpflanzen können und langlebiger sind. Außerdem wirkt sich der Eingriff des Menschen sehr auf die Pflanzen und ihr Ökosystem aus. In Österreich gibt es wenige naturbelassene Orte. Unberührte Orte gibt es so gut wie gar nicht mehr. Man kann noch nicht genau absehen, ab wann das Ökosystem der Pflanzen instabil wird. Außerdem ist zwischen ebenen Flächen und Alpinflächen zu unterscheiden. Der Klimawandel kann sich auch gut auf die Vegetation auswirken. Am Beispiel von Murengebieten kann man sehen, dass trotz der Gletscherschmelze und der Gefahr des Felsstürzen das System durch nachwachsende Vegetation stabilisiert werden kann und sogar das Risiko von Muren und Geröllawinen vermindern kann.
Die Erde spielt zudem eine wichtige Rolle. Wenn es zu wenig gibt oder die Qualität, als die Inhaltsstoffe, schädlich für die Pflanzen sind wirkt sich dieses negativ auf sie aus.

"Wien sollte
 innerstädtisch
auf jeden Fall
mehr begrünt
werden"




Wien ist ja laut Statistiken eine der grünsten Städte Europas. Also müsste das Klima in Wien im Vergleich zu anderen Städten ja besser sein?

Wien mag laut Statistiken gut abgeschlossen haben, aber wenn man sich der Realität widmet, wird man herausfinden, dass dies nicht wirklich stimmt. Natürlich ist Wien im Gegensatz zu anderen Städten sehr grün, jedoch ist Wien eigentlich kein einheitlicher Raum. Die Innenstadt ist anders begrünt als die Randbezirke. In Wien nimmt die Niederschlagsmenge rasch ab und die Temperatur nimmt gegen Osten hin zu. Das ist problematisch für die Trockenzeit vieler Pflanzen. Wenn man die Innenstadt genauer betrachtet, wird man merken, dass viel an Begrünung fehlt. Die Bäume haben nicht genügend Platz, um ihre Wurzeln auszubilden.

Wie sollte die zukunftsorientierte Pflanzennutzung in Wien aussehen?

Wien sollte innerstädtisch auf jeden Fall mehr begrünt werden. Damit meine ich nicht nur die Böden, sondern auch die gebaute Architektur. Ich bin ein absoluter Fan von Bauwerksbegrünung und finde, dass in Zukunft gebautes mehr begrünt werden sollte. Die Ästhetik ist hierbei äußerst wichtig. Ich finde starre dunkle Hochhäuser nicht schön und fühle mich nicht wohl, wenn ich an solchen Gebäuden vorbeigehe. Für das subjektive Wohlbefinden derMenschen, Pflanzen und Tiere, sollte sich die Stadt mehr Mühe und unseren natürlichen Lebensraum attraktiver zu gestalten. Die Stadt sollte mehr Platz für natürliche Vegetationsflächen reservieren. Kleine Eingriffe sind keine spürbaren Lösungen für den Umgang mit der Klimakrise und werden auch nicht viel zur C02-Neutralisierung beitragen ... Die Menschen müssen sich beeilen...




Gespräch mit
Dipl.- Ing. Dr. nat. techn. Katharina Lapin

Dipl. -Ing. Dr. nat. techn. Kaharina Lapin st eine Landschaftsplanerin, die ihrStudium an der BOKU absolvierte. Sie vertiefte sich während ihres Studiumsund ihrer beruflichen Laufbahn auf Botanik und vor allem auf die Neophytenin Österreich. Heute ist sie aktive Mitarbeiterin am Bundesforschungszentrumfür Wald (BFW) im Bereich der städtischen Forstwirtschaft und Biodiversitätsforschung im Alpenraum und leitet das Projekt ,,Alptrees’’, was sich mit demverantwortungsbewusstem Umgang und Management von nichtheimischenArten im Alpenraum befasst. Im Jahr 2016 erhielt sie den ,,Young ScientistAward’’ als beste Sprecherin auf der 3. Internationalen ,,Wasserressourcenund Feuchtgebiete“- Konferenz in Rumänien.

Katharina, wie viele Neophyten gibt es in Wien und welche kommen am häufigsten vor?

Die Zahl ist immer eine Momentaufnahme, die erweitert oder verschränkt ist. Es hängt immer davon ab, welchen Zeitraum man sich ansieht. Jetzt  im Moment haben wir einen Anstieg von Neophyten. Der Schmetterlingsstrauch ist einer der bekanntesten nichtheimischen Arten in Wien. Man  findet ihn überall, sogar auf dem Dach des Stephansdoms.

Können Neophyten auch gefährlich sein?

Es gibt einige Neophyten, die sich so rapide verbreiten, dass sie dann durchaus zu einem Problem werden können. Dann spricht man von invasi ven Neophyten oder von ,,Invasive alien plant species‘‘. Invasive Neophyten können beispielsweise gesundheitliche Auswirkungen auf Allergiker  haben. Diese Arten können sich aber auch negativ auf die Gebäudebegrünung auswirken. Ein Beispiel ist der Götterbaum, der wirklich überall  auftaucht und problematisch für das Facility Management ist, sowie die Intention von Stadtbegrünungen oft limitiert. Der Prozentsatz an invasiven  Neophyten, die sich verbreiten ist immer ein sehr sehr kleiner aber ein sehr wichtiger. Denn es gibt sehr viele Gesetzgebungen auf europäischer  Ebene, die die Verbreitung von invasiven Pflanzen Arten verbietet. Die EU-Verordnung führt eine Unionsliste mit erstaunlich vielen Pflanzenarten,  die eine Gefahr für urbane Lebensräume bilden. Der Götterbaum taucht ebenfalls auf dieser Liste auf. Also Pflanzen sind nicht nur grüne Sachen,  die irgendwo was schön machen, sondern beschäftigen auch viele Abteilungen in der EU-Kommission.


Könnte man also sagen, dass die invasiven Arten die schlechten oder bösen Pflanzen sind?

Wir raten in der Invasionsbiologie davon ab von böse und schlecht zu reden. Generell ist diese Terminologie möglichst neutral zu halten. Es hängt  immer davon ab, was man plant und beabsichtigt. Leider ist die Artenvielfalt in der urbanen Ökologie sehr vom Menschen dominiert. Während  Pflanzen vor 100 Jahren noch durchaus wild vorkommen konnten, werden heute Flächen sehr von Menschen gesteuert und stellen den Pflanzen  ungenügenden Lebensraum zur Verfügung. Das hat dann wiederum Auswirkungen auf die heimische Flora. Es setzen sich nur Pflanzen durch, die  mit dem höheren Nährstoffeintrag gut zurecht kommen, weil der steigt. Prinzipiell kann man nicht von schlechten Pflanzen sondern von schlechten  Menschen sprechen, da die falsch geplant und recherchiert haben.. Wenn ich bei einer Begrünung Pflanzen mit hohem Invasionspotential verwen de, kann man natürlich den Kollaps von Ökosystemen beobachten, die in sich viel Co2 speichert. Zum Beispiel wurde die Rubine in alten Begrü nungen oft verwendet. Wenn sie aber ins falsche Ökosystem kommt, kann sie nachhaltige Schäden anrichten. Man kann Pflanzen falsch pflegen  und einsetzen. Einer der gefährlichsten Arten ist die Fallopia, auch bekannt als die asiatische Staudenknöteriche, dessen Wurzeln in kleinste Ritzen  von Mauern und Asphalt eindringen und diese durch ihr Wachstum sprengen kann. Dadurch sind sind vor allem Bauwerke an Flussufern gefährdet.

Was wäre, wenn der Mensch sich nicht mehr einmischen oder zum Beispiel die Stadt verlassen würde, sodass die Natur wieder Zeit hätte  sich zu erholen. Würde dann die Ursprungsflora wieder entstehen?

Ich spiele diese Science-Fiction Szenario mal mit. Man kann sich super am Beispiel von den urbanen Räumen Tschernobyls ansehen, was da  innerhalb von wenigen Jahrzehnten an Natur zurückgekommen ist. Ähnliche Situationen kann man auch in Österreich wiederfinden. So ist Öster reich auch sehr schnell wieder zu Wald geworden. Wenn man von der potentiellen natürlichen Vegetation ausgeht, welches ein Konzept aus der  Forstwirtschaft ist, umzusehen welche potentiellen Waldgesesellschaften wachsen würden, so wäre Wien entlang der der Donau natürlich ein Au wald und in höheren Lagen wahrscheinlich ein Buchen- und Hainbuchenwald mit riesigen Stämmen. Dennoch ist diese Analyse sehr hypothetisch.  Diese „Was wäre wenn“-Frage ist nur schwer zu beantworten. Sicher ist der Mensch ein Störfaktor und produziert eine Landschaft, die nur schwer  zu besiedeln ist. Lange hat man gesagt, dass gerade urbane Landschaften unnatürlich sind. Jedoch hat sich in den letzten Jahren in der urbanen  Ökologie bewiesen, dass dies überhaupt nicht der Fall ist und Städte durchaus Hotspots für gewisses Artenreichtum sein können.

"Prinzipiell kann man nicht von schlechten Pflanzen, sondern von schlechtenMenschen sprechen..."



Welche Arten gibt es nicht in der Stadt im Vergleich zum Land?

Das sind zwei komplett verschiedene Ökosysteme. Das Land ist auch nicht gleich Land. Es wird unterschieden zwischen urbanem und semiurba nem Raum und der ruralen Landschaft. Auf europäischer Ebene werden Landnutzungen danach klassifiziert. In jedem dieser Ökosysteme gibt es  Pflanzen, die charakteristisch sind und gewisse Funktionen in den verschiedenen Ökosystemen erfüllen. Natürlich herrscht in der Stadt ein ganz  anderes Klima. Dazu gibt es auch viele Studien, die sich mit der Wirkung des Klimas in der Stadt und auch mit der Wirkung der Stadt auf die Umge bung und auf die Landschaft befassen. Es ist für diverse Pflanzen profitabel, die lieber im wärmeren Klima sind. Der Götterbaum ist hierfür wieder  ein gutes Beispiel. Der kann sich sich jetzt so schnell in Städten ausbreiten, weil es ihm bis vor 10 Jahre noch zu kalt war . Des Weiteren gibt es  diverse Sedumarten, die dickblättrig aussehen und bei Dachbegrünungen verwendet werden.

Wie wirkt sich das Artensterben aus?

Das Artensterben ist ein sehr großes und wichtiges Thema. Täglich verschwinden tausende Pflanzenarten vom Planeten. Das größte Problem ist,  dass wir oft die Ökosytemfunktion der einzelnen Arten nicht identifizieren können, weil wir die Aufgabe dieser Pflanzenarten nicht kennen und nicht  wissen, ob sie negative Auswirkungen auf uns haben könnte. Wir verlieren durch das Artensterben Informationen, die für uns wichtig wäre. Vor  allem haben wir in der Stadt bereits durch laufende Bebauungen und dem Nährstoffeintrag viele Arten zum Aussterben gebracht. Der Mensch be schleunigt das Artensterben rasant und das schlimme daran ist, dass die Arten keine Ausweichmöglichkeit haben. Es fehlt an Trittsteinbiotopen. Da  könnte die Stadt durchaus eine Funktion erfüllen, indem man gewisse Parkabschschnitte oder Gebäudebegrünungen als Trittsteine für diverse In dikatoren hat. Außerdem wäre es generell wünschenswert, mehr Forschung im Bereich der Biodiversität in der Stadt zu ermöglichen, da vieles noch  unbekannt ist. Wir wissen beispielsweise sehr wenig über gewisse Artengruppen im Bereich der Pilze, Insekten, Bakterien und Mikroorganismen.

Nach unseren Recherchen hat ein Baum viel zu wenig Platz im Stadtraum. Wieviel Raum braucht eigentlich so ein Baum in der Stadt?

Das ist sehr artenspezifisch, nicht? Es hängt davon ab, wie alt und groß der Baum ist. Außerdem ist es davon abhängig, ob beim Einpflanzen das  Ziel darin besteht, dass der Baum für die nächsten 100 Jahre steht. Ein Baum kann bis zu 400 Jahre alt werden und das ist oft in der Stadt nicht so  geplant. Es gibt viele temporäre Bepflanzungen, die nach 10 Jahren wieder umgepflanzt werden, da der Platz anderweitig gebraucht wird. In der  Stadt beobachten wir ständig diesen Wechsel, weil Bäume oft der Stadtplanung im Weg stehen oder vorher schon verenden.

Hat der Raum, der vom Baum gebraucht wird einen direkten Bezug dazu wie alt der Baum werden kann?

Das ist ein super spannendes Thema. Es gibt Bemühungen, dass man anhand der Pflanzenart herausfindet, was einen Baum letztendlich alt  werden lässt und wie alt er werden kann. Es ist ingesamt artenabhängig. Beispielsweise braucht eine Platane einen anderen Raum als ein Ahorn.  Ein Baum braucht zum Überleben ein gewisses Netzwerk an Pilzen. In der Stadt gibt es diese leider nicht in dem Ausmaß, wie in einer natürlichen  Umgebung. Der Boden spielt eine sehr wichtige Rolle für die Fortpflanzung des Baums. Nur an der Wurzelspitze kann der Baum Nährstoffe aufneh men. Wenn man sich ausführlicher mit der Anatomie der Wurzeln und des Wurzelwachstums befasst, wird einem schnell bewusst, dass die Boden infrastruktur im Stadtraum den Bäumen nur ein schwieriges Leben bietet. Man muss aber auch sagen, dass Stadtbäume gezielt nach Sicherheit ,  Kontrolle und Pflege ausgesucht werden. Die Frage ,,Wieviel Raum braucht ein Baum?“ ist eher ,,Wieviel Zeit gibt man dem Baum?“.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Flora aus?

Der Klimawandel bereitet den Städten im Alpenraum zunehmend Stress zu, weil zum Einen die Jahresmitteltemperaturen steigen und zum Anderen  der Niederschlag abnimmt. Besonders in Wien sehen wir, dass sich das pannonische Klima durchsetzt. Im Projekt ,,Alptrees“ spielen wir diverse  Klimaszenarien durch, um herauszufinden mit welchem Klima die Stadtbäume in Zukunft zu kämpfen haben werden. Ich bin froh, dass man da  durch Modellierungen ein wenig weiterkommt und datenbasierte Empfehlungen weitergeben kann was vor allem Stadtbäume betrifft. Bei der wilden  Flora ist dies eher schwierig. Da wäre ein Wunsch von mir, dass man in der Stadtplanung oder in der Gebäudebegrünung auch einen Raum für die  Spontanvegetation schafft, die aufblühen und eine neue Generation entwickeln kann. Das wird leider immer weniger in Wien. Je bewusster man  damit umgeht, desto besser. Man sieht bereits in gewissen Generationen den Trend, dass Unkraut auch als Begrünungsmethode verwendet wird.

Könnte man Pflanzen zur Klimamitigation verwenden?

Ich glaube wir stehen komplett vor anderen Herausforderungen. Wir liegen technisch leider noch sehr weit zurück. Wir wissen in der Forschung  noch nicht mal, welche Pflanzen wir einsetzen könnten, damit das Klima geschützt ist. Im globalen Kontext wird es so warm, dass man sich mit  diesem utopischem Problem nicht auseinandersetzen muss. Da kann man aber sicherlich viel machen. Prinzipiell sollte man mit den Aspekten der  Biodiversität arbeiten, d.h. man sollte natürliche Vegetationen einsetzen, weil man dann nicht nur begrünt , sondern auch die Herausforderungen  der Biodiversitätakrise gleichzeitig angeht. Die Biodiversitätskrise und das Klima gehen Hand in Hand. ich bin der Meinung, dass man der Krise mit  neuen Begrünungsmethoden entgegenwirken sollte, um das Stadtklima positiv zu beeinflussen. Wir sind was die Stadtbäume betrifft noch relativ  zurückhaltend. Man weiß erschreckend wenig über dieses Terrain. Ich hoffe, dass wir da so bald wie möglich weiterkommen, bevor es zu spät ist.

Gespräch mit
Dipl. Ing. Daniel Zimmermann

Herr Dipl. Ing. Daniel Zimmermann ist Landschaftsarchitekt und Umweltpädagoge in Wien. Er besuchte die Gartenbauschule in Schönbrunn und absolvierte ein Studium an der BOKU, TU Wien sowie an der Uni Hannover. Er war Lehrbeauftragter an der BOKU im Department für Raum, Landschaft und Infrastruktur und an der TU Wien in den Fakultäten Architektur und Raumplanung, Städtebau, sowie Landschaftsarchitektur und Entwerfen. In verschiedenen Landschaftsarchitekturbüros in Wien war er planerisch tätig. Im Jahr 2000 gründete er zusammen mit zwei weiteren Partnern das Landschaftsbüro „3:0“ Von 2009 bis 2016 vertrat Daniel Zimmermann im erweiterten Vorstand der Plattform Architekturpolitik und Baukultur die Anliegen der ÖGLA, der Österreichischen Gesellschaft für Landschaftsarchitekten.

Daniel, kannst du uns erklären, was alles unter den Bereich Landschaftsarchitektur fällt?

Vielleicht definieren wir erst einmal was alles unter das Thema Landschaft fällt: Landschaft ist alles, auf das Regen fällt.Landschaftsarchitektur wiederum, ist die räumliche und gestalterische Entwicklung und Planung von Außenanlagen.Nun zu den Begriffen Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung.International wird es so gesehen, dass sich die Landschaftsarchitektur in die Landschaftsplanung und die Objektplanung spaltet.Die Landschaftsplanung oder auch Ordnungsplanung definiert alle landschaftlichen Aspekte. Sie wird, im Sinne ihres Maßstabes,als zusammenhängendes Element zur Raumplanung gesehen.Bei der Objektplanung stellt man stärker den besiedelten Raum in den Fokus. Hierbei stehen die objektplanerischen Aspekte im Vordergrund, und es ist immer der vegetabile Raum, mit dem man gestalterisch räumlich arbeitet.

Wozu und für wen braucht man überhaupt Landschaftsarchitektur?

Landschaftsarchitektur braucht man für Menschen, die leben, etwas nutzen oder besuchen. Im weitesten Sinne würde die Natur auch ohne Landschaftsarchitektur auskommen.Die soziale Komponente, also der humane Faktor, zeigt sich in der sozialen Integration. Hierbei ergeben sich Fragen, die aufzeigen sollen, was ein öffentlicher Raum, privater Freiraum oder halb öffentlicher Raum alles können soll. Zu beachten sind aber auch essentielle Funktionen, die für uns Menschen nötig sind. Landschaft und die Nutzung der Landschaft führen zu einfachen landschaftsarchitektonischen Auseinandersetzungen. Jeder Weg, der gebaut wird, alles außerhalb einer bebauten Umgebung, jeder Freiraum ist landschaftsarchitektonisch überformt und der Mensch setzt sich mit ihm auseinander.


Was wird in der Landschaftsarchitektur als Gestaltungselement verwendet?

Das Wesentliche sind die Pflanzen. Diese reichen von Bäumen über Stauden und Gräser bis hin zu Sträuchern, aber auch extensive Dachbegrünungen zählen hierzu.Es gibt jedoch eine Vielzahl von Elementen, die von der Topographie von Reglementen bis zur bewegten Landschaft, also dem Element Wasser, reichen. Jedes Gestaltungselement ist hierbei stark abhängig von Jahres- und Tageszeiten.Unsere Decke ist im Gegensatz zur Hochbauarchitektur der Himmel. In den meisten Fällen ist man somit den Jahreszeiten viel mehr unterworfen, gerade hier in Österreich, im gemäßigten Norden des Globus, wo es einen starken Jahreszeitenwechsel gibt.Eine große Rolle spielt aber auch das Licht, welches vom Natürlichen bis zum Künstlichen reicht und so für unterschiedliche Stimmungen sorgt.Der wichtigste Aspekt ist hierbei immer, wie der Mensch etwas wahrnimmt. Es wird dabei betrachtet was der Mensch macht, was er braucht, wie er es betrachtet und den Raum nutzt.Gestaltungselemente reichen von jeder kleinen Baulichkeit bis hin zu weichen Elementen, aber hauptsächlich wird immer die Pflanze verwendet.

Was für eine Bedeutung haben Pflanzen in der Landschaftsarchitektur?

Die Bedeutung der Pflanzen ist immens wichtig.Es gibt aber auch Beiträge von Landschaftsarchitekten, die reduziert arbeiten, dort spielt die Pflanze nur eine geringe Rolle. Es können aber auch einzelne Pflanzen eine starke Bedeutung bekommen. Zum Beispiel wird durch das Einsetzen von Steinen oder Kies mit der Wahrnehmung und Inszenierung gearbeitet.

Welche Pflanzen oder Baumarten werden in der Landschaftsarchitektur am häufigsten eingesetzt?

Es ist nicht klar zu definieren, welche Arten am häufigsten eingesetzt werden, da diese von vielen Faktoren abhängig sind.Vielleicht ist es einfacher zu sagen, mit welchen Arten ich am liebsten arbeite: Ich setzte extrem gerne Bäume ein. Hier in Österreich, im mitteleuropäischen Kontext, sind wir sehr stark von Waldlandschaften geprägt. Vor allem im Sinne der Klimawandelanpassung, können uns Bäume dabei helfen einen wertvollen Beitrag zu leisten, um die Lebensbedingungen gerade im Außenraum nachhaltig lebenswert zu halten und eine Erhöhung der Lebensqualität zu unterstützen.Mich persönlich begeistert der Baum schon aufgrund von haptischen Erlebnissen aus Kindheitstagen. Er bringt so viele Eigenschaften mit sich, wie er sich über die Jahreszeiten verändert oder als Futtermittel für Tiere dient. Aber die Erinnerungen, die man an den Baum hat, sollte man immer in Kombination mit den Traditionen und dem Verständnis für die Art sehen.Heutzutage ist es faszinierend zu sehen, wenn wir im städtischen Kontext einen Baum haben, der aus einem anderen geografischen Kontext kommt und hier seine Schönheit entfaltet.Denn auch Neophyten können schön sein und begeistern, wie sie sich hier eingebürgert haben, jedoch an andere Orte erinnern und zu Klimazeiten blühen, in der unsere Vegetation sich schon stark zurückgenommen hat.

"„Die Landschaftsarchitektur hat hierfür ein paar Schlüssel in der Hand"



Wo setzt man welche Pflanzen am ehesten ein und mit welcher Funktion?

Im Straßenraum würde man eher Bäume einsetzen. Beispielsweise in der Mariahilfer Straße fassen sie durch ihre hohen Äste optimal eine Erdgeschosszone ein.Allgemein sollte man immer den Gesamteindruck im Hinterkopf behalten.Die Gegebenheiten vor Ort spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle.Dazu werden unter anderem folgende Fragen gestellt:Wie sind die klimatischen Bedingungen? Ist es dort sonnig oder schattig? Herrscht dort viel Wind? Wie ist die Bodenqualität?

Wie gehen Landschaftsarchitekten mit Naturschutz um?

Das ist sehr situationsabhänig.Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, eine gute Grundlagenerarbeitung vorzunehmen. Hierbei spielen meteorologische Daten eine genauso wichtige Rolle, wie die bodenkundlichen oder wasserwirtschaftlichen Daten, also die Grundwasserstände, mit Rücksicht auf Pflanzen und Tierarten.Heutzutage ist es ein großes Problem, dass Flächen radikal von Pflanzen befreit werden. Dabei geht es nicht nur um den Naturschutz, sondern auch um den Lebensschutz. Indem man Bäume von einer Fläche entfernt, vernichten wir damit nicht nur Energien und ein Jahrzehnte altes Baumleben, sondern auch die Identität des Ortes.Ökonomisch betrachtet ist diese Herangehensweise kurzfristig enorm günstig, aber wenn wir versuchen wollen anders zu denken und anders zu wirtschaften, müssen wir begreifen, worum es wirklich geht und dass wir auf diese Weise extrem viel verlieren.


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