Mag.phil.Dr.phil.
Cornelia Ehmayer-Rosinak
Was bedeutet für Sie Identität in der Stadtplanung?
Einerseits hat das etwas mit Geschichte und der eigenen Umgebung, in der man aufwächst, zu tun. Die Identität ist aber viel mehr als nur ein emotionaler Zugang, sondern auch etwas Selbstreflektiertes, vielmehr ein direkter Bezug zur Stadt selbst. Das passiert oftmals über Beteiligung oder Aneignung, sei es zur Wahl zu gehen oder die Aneignung von öffentlichem Raum durch etwa Urban-Gardening. Damit wird die Stadt zu einem Teil von mir selbst.
Wie schafft man es ihrer Meinung nach, dass die Bewohner sich in ihrer Gegend heimisch fühlen und sich mit dem Ort identifizieren können?
Dazu gibt es sehr viele Theorien und Studien. Der Ort, mit dem meistens die stärkste Verbundenheit herrscht, ist die eigene Wohnung. Das hat vor allem mit der einfachen Aneignung des Raumes zu tun. Das geht aber auch über die eigenen Vier-Wände hinaus. Wenn man in einem Viertel wohnt, das man mag und wo man sich gerne aufhält, ist es viel identitätsstiftender als wenn man aus Not an einen Ort ziehen muss. Der Mensch muss sich wohl fühlen. Zudem führt eine gefällige Architektur zu einer stärker ausgeprägten Identität und damit zu einer höheren Bereitschaft bei Beteiligungsprojekten mitzugestalten. Umgekehrt ist es aber auch so, dass wenn man Menschen einlädt bzw. die Möglichkeit gibt, an ihrer Wohnumgebung mitzuwirken, dass das Identitätsgefühl gesteigert wird. Je mehr Sinne bedient werden im Leben, desto stärker wirkt es auf einen. Das Angebot, im öffentlichen Raum etwas beitragen zu können, wirkt identitätsstiftend. Wobei es meiner Meinung nach auch problembehaftet ist, wenn es im öffentlichen Raum abgegrenzte Bereiche für beispielsweise eben erwähntes Urban-Gardening gibt.
Welche gestalterischen Qualitäten braucht der öffentliche Raum?
Beispiel Sitzmöbel: Aus psychologischer Sicht gibt es verschiedene Möglichkeiten Sitzgruppen kommunikativ aufzustellen. Die „prospect refuge“ Theorie besagt, dass man Schutz und Überblick braucht. Man möchte mit dem Rücken geschützt sitzen und das Geschehen auf der Straße beobachten können. Außerdem wäre eine gewisse Mobilität von Möbeln wünschenswert, damit man sich in Gruppen zusammensetzen kann. Durch solche gestalterischen und funktionellen Qualitäten findet mehr Kommunikation statt und es wird das soziale Miteinander gefördert. Studien zufolge lachen die Menschen dann sogar mehr (lacht).
Denken Sie, dass eine Privatisierung öffentlicher Flächen ein Problem darstellt?
Das Problem ist eher die Kommerzialisierung. Aus meiner Perspektive gibt es heutzutage mehr öffentliche Räume als früher, die jedoch zunehmend kommerzialisiert werden. Dadurch nimmt die Forderung nach konsumfreien Räumen immer stark zu.
Stellt die Versiegelung der städtischen Oberflächen ein weiteres soziales Problem dar? Kommen Menschen lieber in der Natur zusammen, oder kann ein asphaltierter Platz die gleichen Qualitäten bieten wie ein begrünter Park?
In der Umweltpsychologie gibt es ein ganz großes Themenfeld: Die „restorative environment“, also die erholsame Umgebung, wobei die Natur meistens im Vordergrund steht. Unter anderem wird Wasser in Kombination mit Grün ein hoher Erholungswert zugeschrieben. Der Donaukanal, der eine Stadtautobahn werden sollte, nimmt demnach eine wichtige Stellung ein, da er innerstädtisch eine abgesenkte und autofreie Zone in Verbindung mit Wasser und Grün darstellt.
Heutzutage unvorstellbar!
Definitiv! Man muss jetzt natürlich nicht immer in die Natur gehen. Erholung kann auch dann auftreten, wenn man sein alltägliches Umfeld wechselt, in ein Museum geht und die Kultur genießt. Generell lässt sich aber sagen, es gibt in den Menschen eine Sehnsucht nach Natur, aber keine nach Beton. Das andere ist, dass Menschen Plätze schätzen. Die italienische Piazza dient oft als hohes Vorbild, obwohl sie asphaltiert und versiegelt ist. Wenn man jedoch genau schaut, sitzen die Leute am Rande des Platzes im Café. Bäume, Schatten und Hitze sind gerade in der heutigen Zeit wichtige Punkte.
Wie könnte man der Versiegelung und der Kommerzialisierung entgegenwirken? Bringen partizipative Planungsmodelle einen Vorteil?
Der öffentliche Raum ist ja bekanntlich durch den Flächenwidmungsplan und durch verschiedene Magistratsabteilungen vordefiniert bzw. überwacht. Beteiligungsformen helfen sehr, denn sie inkludieren auch diejenigen, die nicht wählen können. Die Beteiligung hilft, die Grenzen zu überwinden und allen eine Teilhabe zu ermöglichen. Mitsprache schafft auch Identität. Allerdings darf man auch nicht die demokratiepolitischen und gesetzlichen Verordnungen außer Acht lassen. Jemand muss das Projekt tragen. Und da ist dann wieder die Politik gefordert.
Wie kann man bei dem entstehenden Viertel im Nordwestbahnhof nachhelfen, damit dort ein belebter Ort entsteht?
Das lässt sich über verschiedene Attraktoren gestalten. Man muss etwas schaffen, das den Ort attraktiv macht. Das kann eine orts-eigene (Sozial-)Aktion wie ein Freiluft-Kino oder ein öffentlicher Sportkurs sein. Das kann aber auch genauso gut ein Kunstobjekt sein. Meiner Meinung nach braucht es dafür mehrere kleine Angebote. Nur eine Wiese ohne irgendeine Form von Bespielung oder von irgendeiner Aktivität reicht in der Regel nicht.
Was halten Sie von der Umsetzung der neuesten Stadtentwicklungsgebiete wie dem Sonnwendviertel?
Insgesamt sehen alle auffallend ähnlich aus... Was man nicht vergessen darf: Es werden in einem irren Tempo riesige Viertel hochgezogen, die von der Größe eigene Städte oder Ortschaften sein könnten.Für mich ist es schwierig, über Generationen und große Viertel hinaus zu denken, da man eigentlich für ein paar Jahrhunderte und für tausende Menschen plant. Das Ergebnis wird sich erst nach einer gewissen Zeit zeigen und dann entsprechend nachjustiert werden müssen. Gerade das Grün ist erst in den letzten Jahren so richtig angekommen, vor allem aufgrund des Klimas. Es braucht aber definitiv ein Angebot an Bewegung bzw. eine Zonierung und vielleicht auch etwas gegen die Lautstärke.
Denken Sie, in den letzten Jahren hat ein Umschwung stattgefunden? Nutzen die Menschen die grüne Fläche inzwischen anders?
Corona hat gezeigt, wie wichtig der öffentliche Raum ist. In allen Bezirken und vor allem innerstädtisch merken die Leute sehr, wie stark sich die Stadt im langen und heißen Sommer aufheizt. Da wurde den Menschen schnell bewusst, dass die Qualität eines Naherholungsgebiets um die Ecke sehr wichtig ist. Ich glaube, dass es für die Menschen angenehmer ist, nicht einen großen Bereich, sondern viele kleine Viertel mit Grün dazwischen zu haben. Zur Erholung ist Bewegung wichtig, vor allem wenn man ein relativ großes Wohngebiet hat. Aber ich finde die Frage der Zusammenkunft, die Möglichkeit, zusammenzukommen und sich auszutauschen, viel wichtiger. Zum Beispiel kleine Zentren, wo man zusammenkommen und sich austauschen kann. Wenn man Infrastruktur fußläufig gut erreichen kann, bewegt man sich automatisch mehr.
Welche Prozesse sind notwendig, um zukünftige Lösungen zu gestalten?
Die Flexibilität muss schon in der Planung berücksichtigt werden. Bei Prozessen gibt es eine Phase, in der viel gedacht, viel überlegt und viel geplant wird. Und es gibt eine Phase, in der gebaut und gelebt wird. Und dann sollte es noch eine Phase geben, in der man sich das Ganze noch einmal bewusst anschaut und Möglichkeiten der Anpassung erlaubt. Für diesen letzten Teil ist oft keine Zeit. Generell ist es in der Stadtpsychologie wichtig, nicht immer nur die Einzelperson, sondern auch die Gesamtheit der Menschen im Stadtviertel zu betrachten.
Was muss ein zeitgemäßer Platz aufweisen, um auch zukünftig anpassbar zu bleiben?
In meiner Methode „aktivierende Stadtdiagnose“ habe ich mich mit der Aneignung von Orten, Ortsbindung und der Identifikation mit der Umwelt beschäftigt. Einer der Gründe, warum manche Plätze ‚nicht funktionieren’ ist, dass bei der Gestaltung zu sehr auf Ästhetik und künstlerische Gestaltung Wert gelegt wurde und zu wenig auf die Bedürfnisse der Nutzer geachtet wird. Sei es der Mangel an guten Sitzgelegenheiten, schlecht einseh- und erreichbar Ein- und Ausgänge, ungünstige Verkehrssituationen oder kein Aktivitätsangebot. Im Umkehrschluss kann durch solche Angebote eine bessere persönliche, soziale und öffentliche Nähe und Nutzbarkeit hergestellt werden.
Können Sie eine Zukunftsprognose im Hinblick auf die Städte stellen, wie sich der öffentliche Raum verändern könnte?
Ich glaube, dass der soziale Druck auf den öffentlichen Raum zunehmen wird. Der Klimawandel wird eine große Rolle spielen und den auto-/verkehrsfreien Raum in den Fokus rücken. Damit geht auch der soziale Wandel einher. Zunehmend mehr Jugendliche und jüngere Menschen rutschen in die Obdachlosigkeit. Für das alles muss der öffentliche Raum Platz bieten. Die Stadtentwicklung hat bis jetzt immer sehr gut reagiert und beschäftigt sich schon seit zehn Jahren damit, was ist, wenn wir mehr Menschen (im öffentlichen Raum) werden. Der öffentliche Raum ist ein spannendes Feld, ein Ort der Dialektik, ein Ort des Konflikts, das wird immer so bleiben. Die Gestaltung kann nicht alles lösen. Dafür braucht man soziale Interventionen.
Was ist für Sie persönlich in Ihrer Umgebung ein Identifikationsmerkmal?
Für mich ist es der Kutschkermarkt in Wien-Währing. Einerseits weil ich dort einkaufen gehe, andererseits ist es einfach ein schöner, durchmischter und lebendiger Platz. Er hat einen sehr hohen attraktiven Wert, auch wenn ich nur vorbeispaziere (lacht).
Frau Ehmayer-Rosinak, vielen Dank für Ihre Einschätzung!
Was bedeutet für Sie Identität in der Stadtplanung?
Einerseits hat das etwas mit Geschichte und der eigenen Umgebung, in der man aufwächst, zu tun. Die Identität ist aber viel mehr als nur ein emotionaler Zugang, sondern auch etwas Selbstreflektiertes, vielmehr ein direkter Bezug zur Stadt selbst. Das passiert oftmals über Beteiligung oder Aneignung, sei es zur Wahl zu gehen oder die Aneignung von öffentlichem Raum durch etwa Urban-Gardening. Damit wird die Stadt zu einem Teil von mir selbst.
Wie schafft man es ihrer Meinung nach, dass die Bewohner sich in ihrer Gegend heimisch fühlen und sich mit dem Ort identifizieren können?
Dazu gibt es sehr viele Theorien und Studien. Der Ort, mit dem meistens die stärkste Verbundenheit herrscht, ist die eigene Wohnung. Das hat vor allem mit der einfachen Aneignung des Raumes zu tun. Das geht aber auch über die eigenen Vier-Wände hinaus. Wenn man in einem Viertel wohnt, das man mag und wo man sich gerne aufhält, ist es viel identitätsstiftender als wenn man aus Not an einen Ort ziehen muss. Der Mensch muss sich wohl fühlen. Zudem führt eine gefällige Architektur zu einer stärker ausgeprägten Identität und damit zu einer höheren Bereitschaft bei Beteiligungsprojekten mitzugestalten. Umgekehrt ist es aber auch so, dass wenn man Menschen einlädt bzw. die Möglichkeit gibt, an ihrer Wohnumgebung mitzuwirken, dass das Identitätsgefühl gesteigert wird. Je mehr Sinne bedient werden im Leben, desto stärker wirkt es auf einen. Das Angebot, im öffentlichen Raum etwas beitragen zu können, wirkt identitätsstiftend. Wobei es meiner Meinung nach auch problembehaftet ist, wenn es im öffentlichen Raum abgegrenzte Bereiche für beispielsweise eben erwähntes Urban-Gardening gibt.
Welche gestalterischen Qualitäten braucht der öffentliche Raum?
Beispiel Sitzmöbel: Aus psychologischer Sicht gibt es verschiedene Möglichkeiten Sitzgruppen kommunikativ aufzustellen. Die „prospect refuge“ Theorie besagt, dass man Schutz und Überblick braucht. Man möchte mit dem Rücken geschützt sitzen und das Geschehen auf der Straße beobachten können. Außerdem wäre eine gewisse Mobilität von Möbeln wünschenswert, damit man sich in Gruppen zusammensetzen kann. Durch solche gestalterischen und funktionellen Qualitäten findet mehr Kommunikation statt und es wird das soziale Miteinander gefördert. Studien zufolge lachen die Menschen dann sogar mehr (lacht).
Denken Sie, dass eine Privatisierung öffentlicher Flächen ein Problem darstellt?
Das Problem ist eher die Kommerzialisierung. Aus meiner Perspektive gibt es heutzutage mehr öffentliche Räume als früher, die jedoch zunehmend kommerzialisiert werden. Dadurch nimmt die Forderung nach konsumfreien Räumen immer stark zu.
Stellt die Versiegelung der städtischen Oberflächen ein weiteres soziales Problem dar? Kommen Menschen lieber in der Natur zusammen, oder kann ein asphaltierter Platz die gleichen Qualitäten bieten wie ein begrünter Park?
In der Umweltpsychologie gibt es ein ganz großes Themenfeld: Die „restorative environment“, also die erholsame Umgebung, wobei die Natur meistens im Vordergrund steht. Unter anderem wird Wasser in Kombination mit Grün ein hoher Erholungswert zugeschrieben. Der Donaukanal, der eine Stadtautobahn werden sollte, nimmt demnach eine wichtige Stellung ein, da er innerstädtisch eine abgesenkte und autofreie Zone in Verbindung mit Wasser und Grün darstellt.
Heutzutage unvorstellbar!
Definitiv! Man muss jetzt natürlich nicht immer in die Natur gehen. Erholung kann auch dann auftreten, wenn man sein alltägliches Umfeld wechselt, in ein Museum geht und die Kultur genießt. Generell lässt sich aber sagen, es gibt in den Menschen eine Sehnsucht nach Natur, aber keine nach Beton. Das andere ist, dass Menschen Plätze schätzen. Die italienische Piazza dient oft als hohes Vorbild, obwohl sie asphaltiert und versiegelt ist. Wenn man jedoch genau schaut, sitzen die Leute am Rande des Platzes im Café. Bäume, Schatten und Hitze sind gerade in der heutigen Zeit wichtige Punkte.
Wie könnte man der Versiegelung und der Kommerzialisierung entgegenwirken? Bringen partizipative Planungsmodelle einen Vorteil?
Der öffentliche Raum ist ja bekanntlich durch den Flächenwidmungsplan und durch verschiedene Magistratsabteilungen vordefiniert bzw. überwacht. Beteiligungsformen helfen sehr, denn sie inkludieren auch diejenigen, die nicht wählen können. Die Beteiligung hilft, die Grenzen zu überwinden und allen eine Teilhabe zu ermöglichen. Mitsprache schafft auch Identität. Allerdings darf man auch nicht die demokratiepolitischen und gesetzlichen Verordnungen außer Acht lassen. Jemand muss das Projekt tragen. Und da ist dann wieder die Politik gefordert.
Wie kann man bei dem entstehenden Viertel im Nordwestbahnhof nachhelfen, damit dort ein belebter Ort entsteht?
Das lässt sich über verschiedene Attraktoren gestalten. Man muss etwas schaffen, das den Ort attraktiv macht. Das kann eine orts-eigene (Sozial-)Aktion wie ein Freiluft-Kino oder ein öffentlicher Sportkurs sein. Das kann aber auch genauso gut ein Kunstobjekt sein. Meiner Meinung nach braucht es dafür mehrere kleine Angebote. Nur eine Wiese ohne irgendeine Form von Bespielung oder von irgendeiner Aktivität reicht in der Regel nicht.
Was halten Sie von der Umsetzung der neuesten Stadtentwicklungsgebiete wie dem Sonnwendviertel?
Insgesamt sehen alle auffallend ähnlich aus... Was man nicht vergessen darf: Es werden in einem irren Tempo riesige Viertel hochgezogen, die von der Größe eigene Städte oder Ortschaften sein könnten.Für mich ist es schwierig, über Generationen und große Viertel hinaus zu denken, da man eigentlich für ein paar Jahrhunderte und für tausende Menschen plant. Das Ergebnis wird sich erst nach einer gewissen Zeit zeigen und dann entsprechend nachjustiert werden müssen. Gerade das Grün ist erst in den letzten Jahren so richtig angekommen, vor allem aufgrund des Klimas. Es braucht aber definitiv ein Angebot an Bewegung bzw. eine Zonierung und vielleicht auch etwas gegen die Lautstärke.
Denken Sie, in den letzten Jahren hat ein Umschwung stattgefunden? Nutzen die Menschen die grüne Fläche inzwischen anders?
Corona hat gezeigt, wie wichtig der öffentliche Raum ist. In allen Bezirken und vor allem innerstädtisch merken die Leute sehr, wie stark sich die Stadt im langen und heißen Sommer aufheizt. Da wurde den Menschen schnell bewusst, dass die Qualität eines Naherholungsgebiets um die Ecke sehr wichtig ist. Ich glaube, dass es für die Menschen angenehmer ist, nicht einen großen Bereich, sondern viele kleine Viertel mit Grün dazwischen zu haben. Zur Erholung ist Bewegung wichtig, vor allem wenn man ein relativ großes Wohngebiet hat. Aber ich finde die Frage der Zusammenkunft, die Möglichkeit, zusammenzukommen und sich auszutauschen, viel wichtiger. Zum Beispiel kleine Zentren, wo man zusammenkommen und sich austauschen kann. Wenn man Infrastruktur fußläufig gut erreichen kann, bewegt man sich automatisch mehr.
Welche Prozesse sind notwendig, um zukünftige Lösungen zu gestalten?
Die Flexibilität muss schon in der Planung berücksichtigt werden. Bei Prozessen gibt es eine Phase, in der viel gedacht, viel überlegt und viel geplant wird. Und es gibt eine Phase, in der gebaut und gelebt wird. Und dann sollte es noch eine Phase geben, in der man sich das Ganze noch einmal bewusst anschaut und Möglichkeiten der Anpassung erlaubt. Für diesen letzten Teil ist oft keine Zeit. Generell ist es in der Stadtpsychologie wichtig, nicht immer nur die Einzelperson, sondern auch die Gesamtheit der Menschen im Stadtviertel zu betrachten.
Was muss ein zeitgemäßer Platz aufweisen, um auch zukünftig anpassbar zu bleiben?
In meiner Methode „aktivierende Stadtdiagnose“ habe ich mich mit der Aneignung von Orten, Ortsbindung und der Identifikation mit der Umwelt beschäftigt. Einer der Gründe, warum manche Plätze ‚nicht funktionieren’ ist, dass bei der Gestaltung zu sehr auf Ästhetik und künstlerische Gestaltung Wert gelegt wurde und zu wenig auf die Bedürfnisse der Nutzer geachtet wird. Sei es der Mangel an guten Sitzgelegenheiten, schlecht einseh- und erreichbar Ein- und Ausgänge, ungünstige Verkehrssituationen oder kein Aktivitätsangebot. Im Umkehrschluss kann durch solche Angebote eine bessere persönliche, soziale und öffentliche Nähe und Nutzbarkeit hergestellt werden.
Können Sie eine Zukunftsprognose im Hinblick auf die Städte stellen, wie sich der öffentliche Raum verändern könnte?
Ich glaube, dass der soziale Druck auf den öffentlichen Raum zunehmen wird. Der Klimawandel wird eine große Rolle spielen und den auto-/verkehrsfreien Raum in den Fokus rücken. Damit geht auch der soziale Wandel einher. Zunehmend mehr Jugendliche und jüngere Menschen rutschen in die Obdachlosigkeit. Für das alles muss der öffentliche Raum Platz bieten. Die Stadtentwicklung hat bis jetzt immer sehr gut reagiert und beschäftigt sich schon seit zehn Jahren damit, was ist, wenn wir mehr Menschen (im öffentlichen Raum) werden. Der öffentliche Raum ist ein spannendes Feld, ein Ort der Dialektik, ein Ort des Konflikts, das wird immer so bleiben. Die Gestaltung kann nicht alles lösen. Dafür braucht man soziale Interventionen.
Was ist für Sie persönlich in Ihrer Umgebung ein Identifikationsmerkmal?
Für mich ist es der Kutschkermarkt in Wien-Währing. Einerseits weil ich dort einkaufen gehe, andererseits ist es einfach ein schöner, durchmischter und lebendiger Platz. Er hat einen sehr hohen attraktiven Wert, auch wenn ich nur vorbeispaziere (lacht).
Frau Ehmayer-Rosinak, vielen Dank für Ihre Einschätzung!
Modul Integrales Kommunikationsdesign und VisualiserungInstitut für Kunst und Gestaltung,
Master Architektur, TU Wien
Betreuung: Enrico Bravi, Florian Gruber, Anna Soucek,
Simon Schweighofer, Otto Mittmannsgruber, Tobias Schererbauer