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Ein Interview mit Sabine Dessovic - der Schwammstadt-Expertin.

Sabine Dessovic ist seit 30 Jahren Landschaftsarchitektin und sie ist geschäftsführende Gesellschafterin der DnD Landschaftsplanung. Sie hat an der Universität für Bodenkultur das Studium Landschaftsplanung und -pflege abgeschlossen. Seither arbeitet sie an Projekten in verschiedenen Maßstäben, zum Beispiel der Neugestaltung des Pratersterns und der Neubaugasse.

Beim Schwammstadt-Prinzip wird durch ein ausgeklügeltes System im Untergrund ein Baum oder eine Pflanze im städtischen Bereich bewässert und belüftet, der aufgrund von Flächenversiegelung nur begrenzten Raum zur Verfügung hat. Ohne dieses System bekommt die Pflanze meist nicht ausreichend Wasser und kann nicht zu voller Größe und Pracht heranwachsen.

Das neue Stadtviertel Nordwestbahnhof soll eine „Grüne Mitte“ bekommen. Wie stehen zu diesem städtebaulichen Konzept?

Dichtere Wohnbereiche und große Parkflächen als Ausgleichsfläche in der Mitte sind prinzipiell klug. In einer Stadt ist es immer gut, wenn Grünflächen gebündelt werden, damit sie besser wirken können. Die Verdichtung an den Rändern kann auch cool sein. Stadt besteht aus Verdichtung, im Gegensatz zur Generierung eines Dorfcharakters. Zur Parkanlage in der Mitte des NWBH denke ich, dass das Prinzip der Gestaltung im Städtebau noch im Detail bearbeitet werden muss. Es muss darauf geachtet werden, dass es Schattenflächen gibt und große Flächen, die multifunktional nutzbar sind. Im gleichen Maße muss es auch in kühlen Jahreszeiten noch ausreichend Sonnenbereiche geben.

Sie haben an der Umgestaltung des Pratersterns unweit des Nordwestbahnhof-Areals mitgewirkt. Was waren die wichtigsten Maßnahmen?

Das Ganze ist räumlich sehr stark abgegrenzt. Zunächst haben wir einen Maßnahmenkatalog erstellt mit fünfzig unterschiedlichen Interventionen. Es ging nicht darum, den Praterstern komplett neu zu gestalten, sondern Interventionen umzusetzen, die ihn lebenswerter machen, die die sozialen Probleme ein bisschen lindern. Sachen wegnehmen, die einfach nicht funktioniert haben.
Der Praterstern wird als problematischer Ort wahrgenommen, daher wollten wir die Aufenthaltsqualität steigern und den Platz so attraktiv gestalten, dass die Leute sich gerne dort aufhalten und er durchmischt wird. Das ging von der maximalen Ausweitung der Grünflächen über nutzbare Sitzflächen unter den Bäumen bis zu den Sitzmöbeln, die verschiedene Funktionen haben. Es muss nicht jeder Sitz nur zum Sitzen da sein, Kinder, die von Stein zu Stein springen und junge Leute, die im Schneidersitz darauf sitzen. Ich wünsche mir auch ein bisschen mehr Bewegung im Kopf.

In der Mitte des Sterns ist ein Wasserspiel in den Boden eingelassen; was passiert mit dem Wasser?

Das Wasserspiel wird den Bäumen zur Bewässerung zur Verfügung gestellt. Es gibt drei verschiedene Elemente: Nebeldüsen, Sprudler und Feuchtsprüher. Wir haben sehr viele Nebeldüsen eingebaut, weil diese Feuchtigkeit spenden und durch die Art der Taktung der Wasserverbrauch möglichst gering bleibt.

Fotoserie Wasser am Nordwestbahnhof

Gibt es etwas, das Sie im Nachhinein bei der Planung des Pratersterns anders machen würden?

Nein, eigentlich nicht. Wir hätten als Planerteam die Bäume nicht so groß gemacht. Das war ein Wunsch, der nicht von uns kam. Große Bäume sind super, weil sie am Anfang gleich gut wirken, aber die Gefahr, dass sie nicht gut anwachsen, ist relativ groß. Nimmt man etwas kleinere, ist es am Anfang nicht so toll, aber die holen relativ schnell diese ganz großen Bäume ein.

Wie geht der Praterstern auf Starkregenereignisse ein?

Es gibt auf beiden Seiten, der Ostseite zum Praterstern und zur Innenstadt hin, jeweils ein unterschiedliches Schwammstadt-System. Auf der Seite des Pratersterns ist es ein relativ Klassisches. Dort wird Oberflächenwasser in ein Kammernsystem eingeleitet und im Untergrund verteilt. Auf der anderen Seite kommt zusätzlich zum Starkregen das Brunnenwasser hinzu.

„In der Kommunikation mit vielen Leuten merke ich, dass viele gar nicht wissen, wo das Schwammstadt-Prinzip angewendet wird und warum."

Wo kommt das Schwammstadt-Prinzip zur Anwendung?

Ein Schwammstadt-Prinzip ist nur dort sinnvoll, wo es überwiegend befestigte Flächen gibt und man das Oberflächenwasser von den befestigten Flächen einleitet. Es macht daher nicht wirklich Sinn in einer Fläche, in der der Baum ausreichend Platz hat und so groß werden kann, wie er möchte.

Fotoserie Wasser am Nordwestbahnhof

Viele Menschen wissen nicht, was das ist: Schwammstadt. Wie könnte man die Schwammstadt für die Öffentlichkeit veranschaulichen bzw. sie visualisieren?

Bäume, die sich wohlfühlen und die genug Wasser, Sauerstoff und Wurzelraum haben, transpirieren anders als Bäume, denen es nicht gut geht. Das ist offensichtlich. Jahrelang haben die halb abgestorbenen Bäume an den Straßen die Leute nicht gestört. In den letzten Jahrzehnten ist der Straßenbau immer dichter geworden und man hat entdeckt, dass man gesunde Bäume haben möchte. Diese bekommen eine größere Krone, spenden mehr Schatten und transpirieren auch besser.

Die technische Erklärung, das Prinzip mit der Transpiration und der Notwendigkeit des lebendigen Baumes, das kennt jeder. Wenn es sehr heiß ist und man unter einen Baum steht, ist es spürbar angenehmer.

Abschließend, was würden Sie sagen, braucht ein neuer, nicht historisch gewachsener Ort, um lebendig zu werden?

Betrachten wir das mal von der Nutzerseite. Es ist gut, wenn das Stadtgebiet so ist, dass die Basisinfrastruktur gut funktioniert, also wenn ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ins Gebiet komme. Dass ich eine gewisse Großzügigkeit der Räumlichkeiten habe, gut kombiniert mit individuellen Bedürfnissen. Der soziale Mix ist, wenn das Gebiet so durchmischt ist, dass ich mich wohlfühle, weil verschiedene Menschentypen da sind. Wenn es private Freiräume gibt in Form von Loggien oder zumindest französischen Balkonen, die ich aufmachen und wo rausschauen kann. Wenn ich Freiräume hab, die großzügig sind und allgemein zugänglich, aber auch wenn ich Freiräume hab, die nur Leute vom Haus nutzen können. Und wenn es Räume gibt, die auch gemacht sind für eine alternde Bevölkerung.

„Städtebau ist eine unglaublich diffizile, schöne, aber auch sehr schwierige Aufgabe, weil man damit schon viel in der Atmosphäre festsetzt.“