Macht Ihr persönlicher Verzicht das Klima besser?
Nein! Aber es geht um die Menge an Menschen, die verzichten. Wie ich damals das Buch „Ein Jahr ohne Auto“ geschrieben habe, war der Klimawandel noch kein Thema. Ich hörte nur einen kurzen Bericht auf Ö1 und fragte mich, warum spricht davon niemand? Ich dachte mir ich muss etwas unternehmen und beschloss auf das Auto zu verzichten. Ich dokumentierte mein Projekt und als das Buch geschrieben war stürzten sich die Medien auf mich. Mit dem Ansturm habe ich nicht gerechnet, aber es haben dadurch viele Leute erfahren und das hat mich motiviert weiterzumachen.
Haben Sie das Gefühl durch Ihren Verzicht etwas erreicht zu haben?
Das Verzichten ist wie ein Training. Du stellst dir eine Aufgabe und du versuchst sie zu lösen oder sich diszipliniert daran zu halten. Es ist deine Aufgabe, die du dir gestellt hast. Es wird dir keiner dabei helfen oder das Problem abnehmen. Du musst es selbst lösen. „Wie werde ich den Müll los?“ oder „Wie komme ich mit drei Kindern ohne Auto im Winter von A nach B?“ Aber wenn ich es einmal geschafft habe, wusste ich, dass ich selbstständig bin und bekam dadurch eine unglaubliche Freiheit geschenkt. Als Konditorin selbstständig zu sein habe ich mir nur zu habe ich mir nur getraut wegen den vielen Projekten in den Jahren zuvor.
Sie haben schon auf sehr viel Verzichtet. Was reizt Sie am Verzicht?
Verzichten ist geistiger Luxus. Viele Menschen haben andere Sorgen in ihrem Alltag als CO₂ einzusparen. Damals bei meinem ersten Versuch hatte ich drei kleine Kinder zu Hause und ich wollte eine Challenge. Es machte Spaß, auch wenn es eine Herausforderung war. Wir leben in einer Konsumgesellschaft. Wir können uns alles leisten und sind bequem. Doch wenn sich keiner verändert, wird sich alles verändern.
Würden Sie für ihren Verzicht gerne belohnt werden? Denken Sie, dass durch eine Belohnung mehr Leute verzichten würden?
Ich bin unbestechlich. [lacht und überlegt]Geld werden vielleicht ein paar als Zuckerl annehmen, doch rein finanziell wird nicht jeder erreichbar sein. Ich denke, es funktioniert nur, wenn die Politik dahintersteht und möglichst viele Zuckerl breit gestreut werden. Die bequeme, träge Masse dazu bringen CO₂ einzusparen ist zäh. Mich motiviert der Gewinn den ich durch den Verzicht habe: die höhere Lebensqualität und am Ende bemerke ich auch immer, dass viel Geld übrig bleibt.
Verzichtsprofi, mögen Sie uns ein paar Tipps geben? Wie lange sollten wir verzichten?
Ich setze mir immer ein Zeitlimit. Ein Jahr ist eine längerfristige Dauer, um eine Gewohnheit zu verändern. Auf jeden Fall sollte die Verzichtsphase länger als drei Monate sein, da sich erst nach einigen Wochen im Gehirn eine neue Gewohnheit bilden kann.
Was machen Sie, wenn Sie Rückfallen?
Um Durchzuhalten, können Ersatzbefriedigungen eingesetzt werden. Ein Beispiel wäre Rosinensüße anstatt Zucker oder anstatt dem Auto das Rad zu nehmen. Das wird belächelt, aber Radfahren kann auch süchtig machen! Verzicht klingt immer nach Verbot. Halte dir immer die Qualität vor Augen, die du durch den Verzicht gewinnst.
Was gewinne ich durch den Verzicht?
Zum Beispiel durch das Rad fahren werde ich fit! Oder anstatt in das Fitnessstudio zu gehen, radle ich zum Supermarkt. Oder ich esse im Advent keinen Zucker, aber zu Weihnachten ist Zucker dann ein Geschenk. Ich schätze Kekse dann mehr, da sie nicht selbstverständlich sind. Ebenso beim Zugfahren wir dir viel Zeit geschenkt. Der Zug wartet zwar nicht auf dich, aber sobald du drinnen sitzt, musst du nicht mehr lenken und aufpassen. Es ist deine Erholung. Du kannst Zeitung lesen, schlafen, …Ich entscheide mich nun vegan zu leben.
Soll ich es zuerst geheim halten und es ausprobieren?
Ich habe meine Entscheidung immer meinem sozialen Umfeld mitgeteilt. Bei einem Jahr ohne Auto habe ich den Schlüssel in den Safe meiner Freunde gelegt, samt Zulassung und Führerschein. Versuche erst gar nicht dein Projekt geheim zu halten, nur weil du Angst am Scheitern hast. Erzähle von deinen Ängsten! Lege deine Ängste ab, sie hindern dich an allem: Am frei sein, am Spaß haben, am locker sein. Erzähle allen davon: Deiner Familie, deinen Freunden, deinen Nachbarn. Wenn du schwach wirst, kannst du dir Rat und Unterstützung holen.
Warum fahren dann noch immer so viele MenschenAuto, wenn es doch in Wien ein super Öffi-Netz gibt?
[im Hintergrund hören wir ständig Autos hupen und brummen]
Das liegt daran an was du gewöhnt bist. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Die Autofahrerdraußen sind es gewohnt diese Strecke mit dem Auto zu fahren und nicht mit den Öffis. Ich war auch so - gewohnheitsmäßig nimmst du den Schlüssel und fährst los. Nun schaue ich gewohnheitsmäßig auf Scotty, wann der nächste Zug oder Bus kommt. Das ist eine Umstellung, aber alles kann zur Gewohnheit werden. Die größere Hürde ist vielmehr etwas Neues auszuprobieren. Gedanken wie „oje, kann ich das?“ oder „Hilfe, ich scheitere bestimmt“ hindern einem aus der Normalität auszubrechen. Doch probiere mal etwas aus, ändere deine Gewohnheit, nach drei-vier Monaten ist’s a gmahde Wiesn. Dann beginnt die Freiheit, weil du sicher gehen kannst, dass du von nichts mehr abhängig bist.
Bist du schon einmal auf die Nase gefallen?
Das Jahr ohne Zucker musste ich abbrechen. Ich bekam meine Periode und fraß um drei Uhrnachts Kekse aus der Dose. So sehr ist mir der Zucker abgegangen. Ich bin jetzt auch Zuckerbäckerin geworden. Jetzt geht es aber besser, da ich Alternativen gefunden habe. Das Projekt ohne Müll zu leben dauerte doch länger als gedacht –es brauchte vier Jahre um unseren 5-Personen Haushalt auf null Müll herunter zu schrauben. Die Frage war, ob das überhaupt möglich ist und was übrigbleibt. Nach den vier Jahren war ich fertig [lacht] Bei allem was ich gekauft habe und angegriffen habe, stellte ich mir die Frage: Was passiert, wenn das kaputt wird? Die Medien interessieren sich kaum für dieses Buch. Ohne Müll zu leben ist futuristisch.